Julia Boie – ein Händchen für den Leistungssport

Sie macht andere Olympioniken fit und feiert nun selbst WM-Premiere

Hallo Australien: Julia Boie (Bild: Herbert Bohlscheid, sportfoto.tv)Im März hat Julia Boie ihre dreijährige Ausbildung zur Physiotherapeutin in Braunschweig beendet. „Ich hatte viel Glück, weil die Schulleiterin die vielen Fehlzeiten durch die Nationalmannschafts-Lehrgänge sehr kulant behandelt hat“, erzählt die gebürtige Cellerin. „Ich durfte zum Beispiel Praktika in den Ferien nachholen.“ Für sie war da der Abschied von Braunschweig und damit auch ihrer langjährigen sportlichen Heimat Eintracht beschlossene Sache.

Sie wollte nach Beendigung der Ausbildung ihren Horizont erweitern. Die Großstadt Hamburg sollte es sein und mit dem Klipper THC fand sie ein neues Team. Bedauert hat sie diese Entscheidung mit Sicherheit nicht. Denn gleich in der ersten Saison holte sie mit ihrer neuen Mannschaft den deutschen Feldmeistertitel – erstmals in ihrer Karriere und auch erstmals in der Vereinsgeschichte Klippers.

Seit Ende Juni hat „Jolle“, so der Spitzname in Hockeykreisen, nun auch das berufliche Optimum gefunden. Seitdem arbeitet die 25-Jährige in einer Physiotherapie-Praxis am Olympiastützpunkt Hamburg. Ihr Chef Ulf Dikhof hat Verständnis für Leistungssportler, denn er betreute bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona die deutsche Schwimmmannschaft und gehört auch heute noch als Physiotherapeut zum Team des renommierten Schwimmtrainers Dirk Lange.

Zu ihren Patienten gehören Leichtathleten, Ruderer und auch eine Reihe ihrer hockeyspielenden Kollegen. So holt sich Teamkollegen Anneke Böhmert gern ihre Massageeinheiten bei der Freundin. Und auch die beiden Herren-Weltmeister Sebastian Biederlack und Clemens Arnold waren schon bei ihr in Behandlung. Eigentlich war sie sich sicher, dass es beruflich nicht in Richtung Sport gehen sollte. Die Behandlung von Kindern oder neurologischen Patienten hatten sie mehr interessiert.

„Wer weiß, vielleicht orientiere ich mich ja später mal anders“, sagt sie. Die dafür nötigen Fortbildungen sind in ihrem Beruf allerdings erst mit zwei Jahren Berufserfahrung möglich. Und da liegt ja auch noch Olympia 2004, ein ganz großes Ziel von Julia dazwischen. „Deswegen war es für mich ganz wichtig, jetzt sofort mit dem Beruf anzufangen.“

Als sie im April frisch aus den Prüfungen die WM-Vorbereitungen aufnahm, war es im athletischen Bereich durch die lange Lernphase zuvor fast ein Neuanfang, sagt sie. „Das intensive Athletiktraining hat uns jetzt an einen Punkt geführt, an dem man die Möglichkeit hat, extrem lange Vollgas zu geben.“ Einerseits habe sie sich dafür quälen müssen, andererseits habe sie auch Spaß am Schinden mit der bei der Nationalmannschaft dafür zuständigen Kölner Athletiktrainerin Sigi Biermann, sagt die sportverrückte Niedersächsin, die als Kind auch Tennis spielte, ritt und auch heute noch gern Schlittschuh oder Inline-Skates läuft.

Ihre neue Wohnung hat Julia zwar schon seit August, aber bislang kaum gesehen. „Zum Einleben bisher keine Chance“. Zuvor hat sie lange bei ihrer zwölf Jahre älteren Schwester Kirsten in Winsen Zwischenstation zwischen dem Elternhaus bei Celle und ihrer neuen Heimat gemacht oder hat bei Anneke Böhmert Asyl gefunden. Noch heute kommt die Nationalspielerin gern zurück ins Elternhaus in das Dörfchen Garßen.

Mutter Monika und Vater Jürgen waren es, die ihre Tochter zum Hockey brachten, schließlich hatten sich beide beim Hockey kennen gelernt. Bei Eintracht Celle lernte die kampfstarke Stürmerin den Umgang mit dem Schläger – und zwar vom eigenen Vater, der nicht nur von den Mädchen bis zu den Damen ihr Trainer war, sondern dem Club auch heute noch als Vorsitzender vorsteht. 1992 wurde dann der Deutsche Hockey-Bund auf das Talent aus Niedersachsen aufmerksam. Es folgten vereinzelte Einsätze in den U16- und U18-Nationalteams. Richtig Stammspielerin wurde „Jolle“ aber erst in der U21.

Da hatte sie längst den Schritt getan, den ihr Vater nach drei B-Kader-Länderspieleinsätzen mehr als drei Jahrzehnte zuvor nicht getan hatte: Der Wechsel zu einem der Bundesligateams der Region. Acht Jahre spielte Julia bei Eintracht Braunschweig, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Nadine Ernsting-Krienke, die schon etwas früher ebenfalls den Schritt von Celle nach Braunschweig gemacht hatte. Davon lebte sie auch die letzten vier Jahren, nach dem Erwerb der Hochschulreife an einer Fachoberschule für Sozialwesen, in der Stadt an der Oker.

Kurz schnupperte die Nationalspielerin auch in das Studium der Sozialpädagogik, weil sie nicht sofort einen Ausbildungsplatz für ihr Wunschfach bekam. „Als ich zweiten Semester war, klappte es dann zum Glück mit der Physiotherapie-Ausbildungsstelle. Da war mir auch schon klar, dass ich in dem Studium nicht glücklich geworden wäre.“

Dass sie jetzt gemeinsam mit Nadine Ernsting-Krienke bei der Weltmeisterschaft spielen, ist für Julia um so schöner, da sie ja in der Bundesliga inzwischen gegeneinander antreten. Im Gegensatz zur mehr als drei Jahre älteren Rekord-Nationalspielerin ist es für Julia Boie das erste große Turnier im Damenkader. „Ich bin sehr gespannt, was auf mich zukommt“, sagt sie. „Ich freue mich vor allem auch auf Australien, das ja als hockeyverrücktes Land bekannt ist. Dadurch wird es wahrscheinlich eine Menge Zuschauer bei den Spielen geben.“

 

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