100 Jahre DHB:

100 Geschichten aus 100 Jahren DHB

6. Februar 1983:

Ende im „Fall Vos“

Das DHB-Präsidium gibt heute eine Erklärung zum „Fall Vos“ ab. Dem Ex-Nationalspieler war im November 1982 von der Verbandsspitze die Amateureigenschaft aberkannt worden. Uli Vos wehrte sich juristisch gegen die Entscheidung und bekam am 4. Februar 1983 vor dem Bundesschiedsgericht Recht. Das Präsidium akzeptiert das Urteil, hebt seine Entscheidung vom 6.11.1982 wieder auf und beendet damit den im deutschen Hockey einmaligen Fall.

Es war ein Zeitungsbericht im September 1981, der die Sache in Gang setzte. In der Westdeutschen Zeitung hieß es, dass der Hockeyspieler Uli Vos von seinem Verein Gladbacher HTC „außer den normal üblichen Geldern“ für Reisekosten „noch zusätzliche Zahlungen erhalten haben soll“. Irgendwie gelangte das Pressestück auch in die Hände von DHB-Spitzenvertretern, die meinten, der Angelegenheit nachgehen zu müssen. Schließlich dürfe ein Amateur, wie ihn die Satzung des DHB zu jener Zeit ausdrücklich verlangte, keine finanziellen Gegenleistungen für die Ausübung seines Sports empfangen oder einfordern. Vos, nicht nur durch die olympische Goldmedaille von München 1972 einer der bekanntesten Vertreter seiner Zunft und den DHB-Oberen ob seiner gelegentlichen Eskapaden ein Dorn im Auge, wurde vom Verbandspräsidium ebenso wie der GHTC-Vorstand offiziell befragt, welcher Wahrheitsgehalt denn in dem Pressebericht stecken würde. Vos und auch der GHTC zeigten wenig Lust an der Aufhellung des Sachverhalts, sie wollten den DHB mit ein paar dürftigen Informationen abspeisen. Doch da hatten sie sich verspekuliert. Weil der gegen Vos vorliegende „begründete Verdacht“ von diesem nicht entkräftet werden konnte, entschied das DHB-Präsidium unter Führung von Jürg Schaefer (Frankfurt) am 6. November 1982, dem inzwischen 36 Jahre alten Spieler die Amateureigenschaft abzuerkennen und damit faktisch die Spielberechtigung zu entziehen. Solch eine Entscheidung hatte es in 74 Jahren des Verbandsgeschehen noch nie gegeben.

Wenn man bedenkt, dass es sich um Summen zwischen 600 und 1000 Mark monatlich handelte, dann mutete das Vorgehen des DHB vielen Außenstehenden reichlich überzogen an. Jedenfalls wurde der Hockeybund in der Öffentlichkeit ob seiner „Wirklichkeitsfremdheit“ und „Prinzipienreiterei“ mit Hohn und Spott überzogen. Uli Vos legte Berufung gegen die Entscheidung ein, und das Bundesoberschiedsgericht unter Vorsitz des Hamburgers Wolfgang Rommel gab mit seinem Urteil am 4. Februar 1983 dem 145-maligen Nationalspieler Recht. Die Verdächtigungen des Präsidiums gegen Vos wurden in der Verhandlung als „nicht erwiesen“ angesehen, die Sperre aufgehoben.

In der DHB-Spitze war man trotz oder gerade wegen der juristischen Niederlage vor Gericht schlau genug, sich die Bestimmungen rund um den Amateurstatus zur Brust zu nehmen und auf Zeitgemäßheit zu untersuchen. Schließlich hatten auch andere Nicht-Profisport-Verbände und sogar das Internationale Olympische Komitee zu Beginn der 80er Jahre längst für eine Liberalisierung des Amateurbegriffs in ihren Regularien gesorgt. Eine Kommission unter Leitung des DHB-Vizepräsidenten Eberhard Nöller machte sich sogleich an die Arbeit und legte alsbald einen Entwurf vor, wie man den Paragraphen 8 (Amateurstatus und Werbung) der DHB-Spielordnung modernisieren könnte. Am Rande des 18. Ordentlichen Bundestages im Mai 1983 in Stuttgart beschlossen Präsidium und Bundesausschuss eine Neufassung jenes Teils der Spielordnung. Zwar wurde am Begriff des Amateurs noch nicht grundsätzlich gerüttelt, doch gleichzeitig wurde das eiserne Korsett für einen Hockey-Amateur gelockert. Kein Spieler musste mehr eine Aberkennung des Amateurstatus und damit eine Sperre fürchten, wenn er Auslagenersatz für Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten bekäme oder sportliche Ausrüstungsgegenstände und medizinische Betreuung kostenlos in Anspruch nehmen würde. Und de facto waren die neuen Bestimmungen der Einstieg in die Werbung am Mann. Vereinen wurde es vom 1. August 1983 an erstmals gestattet, ihre Mannschaften mit Werbeaufdrucken auf Trikots und Trainingsanzügen zu versehen und dafür entsprechende Gelder vom Werbepartner zu kassieren. Der DHB achtete dabei lediglich auf die Wahrung der „guten Sitten“ und führte zur Kontrolle Richtlinien und ein Genehmigungsverfahren ein. „Das ist Neuland für uns alle“, bekannte Eberhard Nöller nicht ohne Stolz über die geschaffene Möglichkeit, „den Vereinen bei der Bewältigung ihrer schwierigen finanziellen Probleme zu helfen“.

Allen Lockerungen der Bestimmungen sowie den Entwicklungen und Realitäten des Sports zum Trotz hielt sich der Begriff des Amateurs weitere zehn Jahre in den Regularien des Deutschen Hockey-Bundes. Immer noch hieß es im Paragraf 2 der Satzung: „Der DHB pflegt und fördert den Hockeysport (Feld- und Hallenhockey) unter Wahrung des Amateurstandpunktes ...“ Zum Bundestag 1993 legte dann DHB-Präsident Wolfgang Rommel eine Neufassung dieses Passus mit der Begründung vor, dass „aufgrund der internationalen Entwicklungen im Sport der überkommene Begriff des Amateurs in den Statuten nicht mehr vorgesehen“ sei, zumal auch die Olympische Charta und die Bestimmungen des Welthockeyverbandes FIH inzwischen darauf verzichteten. Der Bundestag billigte den Antrag ohne Gegenstimme, und der auf dieser Versammlung neu gewählte DHB-Präsident Michael Krause fand das auch gut so. „Den lupenreinen Amateur gibt es nicht mehr, auch im Hockey ist in bescheidenem Maße eine Kommerzialisierung eingetreten. Es wäre gelogen, wenn wir den Amateurbegriff noch weiter in unserer Satzung stehen lassen würden“, sagte Krause damals über die Streichung des „hohlgewordenen Begriffs“.

 
27. April
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