hockey.de Kolumne:


Charlotte on tour

Tobias Hübner, Elmar Stremitzer, Thomas Hübner, Armin Stremitzer (v. li.). Foto: Geiger

 

Zwillinge im Doppelpack

Hübner und Stremitzer "mal zwei" im österreichischen Nationalteam

Ein weit verbreitetes Phänomen im Hockeysport sind ja bekanntlich Familienclans, und so setzt sich die große weltweite Hockeyfamilie (Haben Sie schon mal von der Fußballfamilie gehört?) wiederum aus vielen kleinen Hockeyfamilien zusammen. Wo die globale Hockeyfamilie sich eher im Geiste, in der gemeinsamen Hockeyleidenschaft als verwandt fühlen darf, kann die einzelne Hockeyfamilie sich auf wahre Blutsbande und ein vielleicht vererbtes Hockey-Gen berufen.

Wenn der Vater dem Sohn oder der Tochter schon im Säuglingsalter einen Schläger in die winzigen Hände drückt und Familienausflüge auf die Hockeyplätze der Umgebung statt in rummelige Freizeitparks unternommen werden, dann gliche es wohl Familienverrat, würde man als Nachkomme nicht ebenfalls seine gesamten Hobbyambitionen in den Hockeysport investieren. Dieses frühe Einstiegsalter in Kombination mit familiärer Unterstützung helfen dann auch, ziemlich erfolgreiche Hockeyspieler heranzuzüchten. So prägen neben der legendären Fischer-Familie derzeit viele Brüderpaare den deutschen Hockeysport: Fürste, Wess, Zeller etc.

Auf die absolute Spitze treibt das Phänomen heuer die österreichische Hockeynationalmannschaft, in der neben den Minar-Brüdern Christian und Michael noch zwei Zwillingspärchen vertreten sind: Thomas und Tobias Hübner sowie Armin und Elmar Stremitzer. Wenn man sich ihre gemeinsame (Hockey-)Geschichte anhört, drängt sich einem der Gedanke auf, dass es sich bei ihnen sogar um Vierlinge handelt: Die vier heute 24-Jährigen besuchten nicht nur acht Jahre lang die gleiche Klasse eines Wiener Gymnasiums, sondern fingen auch im Alter von zehn bis zwölf Jahren beim Post SV der österreichischen Hauptstadt mit dem Hockeyspielen an.

Schon bald mischten sie gemeinsam die verschiedenen nationalen Juniorenteams auf, weshalb zu Lehrgangszeiten oder an Schulsamstagen wegen Spielen oft die halbe Klasse fehlte, in der neben ihnen nämlich noch vier weitere Hockeyspieler versammelt waren, darunter der dritte österreichische Torwart Fabian Steinlechner. Sie halfen sich über präpubertäre Geschmacksverirrungen hinweg, wenn der ein oder andere auf einmal mehr Gefallen an Pferden oder Puppen entwickelte, und wurden mit 16 bzw. 17 Jahren bereits in den A-Kader der österreichischen Hockeyherren aufgenommen.

Nach der Matura nahmen alle vier, wie sollte es anders sein, ein Studium an der Wiener Wirtschaftsuniversität auf, allerdings mit zwillingsspezifischen Schwerpunkten: Die Hübners vertiefen ihre Kenntnisse in Sport-, die Stremitzers in Politikwissenschaften. Während des Studiums wird jeder der Zwillinge dann jedoch auch mal auf eigenen Pfaden wandeln: Elmar ging vor zwei Jahren nach Mailand, Armin letzten Sommer nach Paris, Tobias spielt derzeit für den HC Rotterdam und ab Juli wird schließlich noch Thomas auf eigene Faust in Australien der Hockeykugel hinterher jagen.

Für den Gewinn des österreichischen Meistertitels und den Cup-Sieg im gleichen Jahr sei Elmar damals auch extra aus dem Ausland eingeflogen worden, wie er betont: „Es war der erste Meistertitel seit 1982 für den Post SV, und zwar ungeschlagen! Das haben wir vor allem unserem tollen holländischen Trainer Oscar Delnooz zu verdanken.“ In einer Liga mit lediglich sechs Mannschaften, alle aus Wien, und nur rund 40 Spielern, die den Sport leistungsmäßig betreiben, sei es schon schwer, ein international konkurrenzfähiges Team aufzubauen.

Um so stolzer sind die Wiener Jungs dann auch, in den letzten zwei Jahren große Erfolge unter anderem mit dem Aufstieg in den A-Pool auf dem Feld sowie einen dritten Platz bei der Hallen-EM im Januar dieses Jahres erreicht zu haben. Armin fügt schelmisch grinsend hinzu: „Auf dem Papier sind wir übrigens genauso gut wie die Deutschen. Und es würde uns tierisch freuen, wenn wir die Olympia-Quali schaffen würden ... und die Deutschen nicht.“ Nicht nur gegenüber dem großen deutschen Bruder, gegen den der gemeine Österreicher ja immer gewisse Vorbehalte pflegt oder ihm zumindest gerne ein Schnippchen schlägt, auch im Duell mit einem Hockeygiganten wie Indien erwacht der Ehrgeiz des kleinen Landes.

In ihrem Match gegen die Inder, bei dem sie in der ersten Halbzeit auf gleicher Augenhöhe spielten und ein verdientes 2:2 ablieferten, hätten sie wirklich nur allzu gerne „rund eine Milliarde Inder zum Heulen gebracht“, so Armin. „Wir ärgern uns nicht über die 3:7-Niederlage als Endergebnis, sondern über diese verflixten vier Minuten, in denen wir uns vier Tore einfingen.“, fügt Thomas hinzu. Dass sie mit einem entscheidenden Spiel am Samstag gegen England gar nicht mal unrealistische Chancen auf einen Finaleinzug haben, bewiesen auch die beiden Siege, mit denen sie während des Qualifiers in Santiago bereits auf sich aufmerksam machten.

„Obwohl wir nur drei Tage Vorbereitung in Barcelona hatten und alle auch in der Hallen-Mannschaft spielen, hat uns unser Trainer Horst Ruoss wirklich gut eingestellt“, meint Elmar. Es seien die Früchte seiner langen Arbeit, die sie jetzt ernten würden, schließlich habe der deutsche Trainer die Hockeymannschaft seit 1999 zu dem aufgebaut, was sie heute ist. Und nicht nur unter den vier Zwillingen, die sich auch außerhalb des Platzes bestens verstehen und vieles gemeinsam unternehmen, spürt man die Vertrautheit und die gute Stimmung in der gesamten österreichischen Mannschaft, die ihnen zu einer kleinen Hockeysensation in Santiago verhelfen könnten.

Wer sich ein eigenes Bild davon machen will, dem empfehle ich die äußerst amüsanten Tagebuch-Einträge des Teams auf der Homepage des österreichischen Hockeyverbandes unter www.hockey.at Und um etwaigen (zwillingsbedingten) Spannungen vorzubeugen, verrät Tobias, haben die Österreicher auch schon seit Jahren eine weise Regel aufgestellt: Zwillinge dürfen sich kein Zimmer teilen!

 
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