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Charlotte on tour

Französische Problemzonen

Die letzte französische Olympiahoffnung übermotiviert?

Der Ex-Krefelder Julien Thamin durfte noch nicht für Frankreich ins Turnier eingreifen. Foto: Geiger

Während in Frankreich die Nation befürchtet, mit noch mehr Enthüllungen aus den Privatleben ihres Präsidenten konfrontiert zu werden, bangen am anderen Ende der Welt die Hockeyherren des Landes um ihre Olympiaqualifikation. Und dabei sie sind tatsächlich die letzte verbliebene Mannschaft, die die Franzosen bei den Olympischen Spielen in Peking vertreten könnte. So begründet auch der einzige französische Fotograf, der sich auf den weiten Weg nach Auckland gemacht hat, warum er dieses riskante Unterfangen wagt.

Es sei eine Art russisches Roulette, auf das er sich da eingelassen habe, und erst recht nach zwei sehr durchwachsenen ersten Spielen stehen die Chancen Frankreichs auf das begehrte Peking-Ticket eher schlecht: Gegen Irland, das in der Weltrangliste drei Plätze hinter Frankreich liegt, fand das Team von Jérôme Tran Van überhaupt nicht zu seinem Spiel und verlor 1:4, auch gegen die wesentlich schwächer einzustufenden US-Boys war die Vorstellung alles andere als souverän. Nachdem sie gleich zu Beginn zwei Tore kassierten, starteten sie eine Aufholjagd, die sie schließlich mit einem 7:4 siegreich beendeten.
So ging ich also auf die Suche nach Gründen für die französische Misere und traf dabei am Spielfeldrand auf Torhüter Julien Thamin, der sein Team bislang nur von draußen unterstützen durfte, was er mit seinen Rufen auch lauthals tat. “Das ist alles nur eine Frage des Kopfes, wir halten dem Druck mental einfach nicht stand”, erklärte Julien, der mit 76 Länderspielen einer der Erfahrenen der Truppe ist und wie die Musgens-Brüder auch schon in Deutschland beim Crefelder HTC gespielt hat. Als ich ihn auf die acht Gegentore in den beiden Begegnungen ansprach, ob es nicht vielleicht ein Problem in der Defensive gebe, meinte er, dass die gesamte Mannschaft nicht auf der Höhe ihres Leistungsvermögens sei, egal ob Sturm, Mittelfeld oder Verteidigung.

Ärgere es ihn denn gar nicht, dass er dem international völlig unerfahrenen Martin Zylbermann im Tor Platz machen musste? “Natürlich würde ich gerne spielen, aber ich freue mich auch für Martin, schließlich habe ich ihn bei unserem Verein Saint Germain selbst ausgebildet. Er ist quasi die neue Generation, ich eher das alte Eisen. Peking wäre eigentlich auch ein schöner Ort, um meine Karriere zu beenden und den Neuen Platz zu machen.” Die Entscheidung des Trainers respektiere er natürlich, und er habe keine Ahnung, ob er bei diesem Turnier doch noch irgendwann zum Einsatz komme.

Der ehemalige Fußballcoach Tran Van, der im November letzten Jahres den Posten des Nationaltrainers übernahm und überhaupt erst vor vier Jahren zum Hockeysport fand, kommt bei der Problemanalyse zu gleichen Schlüssen wie Julien: “Es gibt brillante Momente in unserem Spiel, aber die Konstanz fehlt einfach noch. Die Jungs sind leider nicht nur motiviert, sondern übermotiviert!” Diese brillanten Momente zeigte besonders Stürmer Frédéric Soyez, erfahrenster Spieler mit 123 internationalen Einsätzen und Eckenschütze seines Teams, der gegen die USA gleich fünf Tore erzielte, teilweise nach herrlichen Alleingängen.

“Doch auch Soyez ist gerade einmal bei 60 Prozent seines Leistungsvermögens”, schätzt Tran Van, und weist im gleichen Atemzug auf das Potential des gesamten Teams hin. “Wir durften uns einen Fehler erlauben, das haben wir mit dem Irlandspiel bereits getan. Jetzt müssen wir halt alles gewinnen, und das ist durchaus möglich, nachdem die Spieler im zweiten Spiel anfingen, an sich zu glauben. Darauf lässt sich auf jeden Fall aufbauen.” Und denke er für das nächste Spiel gegen Argentinien auch noch mal über die Torwartfrage nach? “Ich hatte zu Beginn des Turniers die Wahl zwischen dem erfahreneren und dem leistungsmäßig in der Vorbereitungsphase besseren Keeper, und ich entschied mich zunächst für letzteren. Gegen Argentinien baue ich dann aber auf Julien.” Gute Nachrichten für Frankreich, ob sie Julien schon weiß?

Charlotte Geiger
 

 
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