Dienstag, den 6.11.2001 in Rotterdam
Bernhard Peters
- der Preuße aus Westfalen, im Rheinland lebend, in der
Hockeywelt zu Hause -
Es war kein Zufall, dass die beiden Peters-Zwillinge Hannah und Sophie am
5.11.01 zur Welt gekommen sind. Bernhard Peters überlässt nichts dem Zufall.
So systematisch, wie er seine Nationalmannschaft steuert, so durchgeplant ist
auch sein Lebenslauf. Wer das Privileg hat, ihn hautnah bei der Arbeit
erleben zu dürfen, wundert sich nicht mehr über die sportlichen Ergebnisse.
So kamen die Peters-Zwillinge just am Ruhetag während der Champions Trophy in
Rotterdam zur Welt. Die Mediziner in Krefeld hatten am vergangenen Freitag
eigentlich den heutigen Dienstag als Geburtstag festgelegt. "Da geht es
nicht. Da spielt die deutsche Mannschaft gegen Korea", der Hinweis der selbst
in dieser Situation mit ihrem Mann fühlenden Ehefrau Britta. "Wie wär's mit
Montag, da ist in Rotterdam Ruhetag?". Die Ärzte spielten mit. Direkt nach
dem Spiel gegen England fuhr Peters heim nach Krefeld, war am Montag Morgen
mit im Kreißsaal und sah sich auf einmal einer Schar von 10 grünbetuchten
Mediziner gegenüber. Die Geburt wurde eingeleitet, kurze Zeit später die
Peters um zwei Familienmitglieder reicher. Am Abend war Peters wieder in
Rotterdam bei seinem Team.
Sein Tag ist ausgefüllt mit Arbeiten, Denken, Planen für seine Mannschaft,
für das Spitzenhockey in Deutschland, aber auch die Entwicklung des Hockeys
in Deutschland insgesamt. Sein Arbeitstag beginnt in aller Früh mit einem
Morgenlauf um die Krefelder Rennbahn. Frühstück, ernährungsbewusst: Müsli,
Kohlehydrate, Obst. Wenig oder kaum Fett. Im Anschluß Tagesarbeit. Konzepte,
Planungen, Videoanalysen, Vorbereitungen von Maßnahmen und Spielen,
Nacharbeit. Sein Tag ist ausgefüllt. Wer meint, ein Bundestrainer hat's gut,
der ist nur ein paar Mal im Jahr gefordert, der irrt. Das mag vielleicht in
anderen Sportarten so sein. Für Hockey gilt es mit Sicherheit nicht, für
unsere Bundestrainer erst recht nicht und für den 41-jährigen knorrigen
"Preußen" aus dem westfälischen Rheine erst recht nicht. Und das ist seit
Jahr und Tag so. Mit 17 Abitur. Mit 23 schon im Beruf als Sportlicher Leiter
beim CHTC Krefeld. Nach Absolvieren des Sportstudiums und der Trainerakademie
in Köln.
Seit 1985 ist er als Bundestrainer für den DHB tätig. Zunächst für die
Juniorinnen, dann die Junioren, jetzt die Herren. Überall erfolgreich.
Europa- und Weltmeister.
Das alles nicht zufällig, sondern systematisch ergründet und umgesetzt. Den
Tagesablauf habe ich bereits angesprochen. Der Wochenablauf ähnlich
ausgefüllt.
An den Wochenenden Spielbeobachtung. Beobachtung der Gegner bei Turnieren.
Persönlich oder durch die Beschaffung von Videomaterial.
Und wenn dann der Tag der Länderspielmaßnahme da ist, Anspannung von der
ersten Minute. Natürlich ist der "Chef" immer ein paar Stunden vor dem Team
da. Hat längst alles eingerichtet, alles vorbereitet. Die üblichen Pannen des
Vorführeffekts passieren ihm nicht. Von der ersten bis zur letzten Minute
will er mit seiner Mannschaft intensiv Hockey leben. Ohne Störungen. Den
Vorsprung, den die anderen Mannschaften, die professionell tagein, tagaus
zusammensein und -arbeiten können, ausgleichen. Selbst die Holländer können
aufgrund der räumlichen Nähe mit ihren Nationalspielern viermal in der Woche
zusammen trainieren. Umso intensiver müssen wir, wenn wir zusammen sind, die
Zeit nutzen. Peters wacht über den Tagesablauf seiner Spieler. Sorgt sich um
ihre Ernährung, wacht darüber, dass sie genügend Zeit zum Regenerieren, zum
Schlaf finden. Nicht in einem gängelnden Sinne, sondern im Appell an den
mündigen Athleten. Der Appell kommt an. Die Spieler ziehen hervorragend mit.
An einem Länderspieltag morgens: Vorbereitung auf den Gegner, Videoanalyse.
Durchsprechen der Ecke. Die Mannschaft ist gefragt. Und antwortet. Gemeinsam
werden Strategien erarbeitet und verabredet. Am frühen Nachmittag noch einmal
Einstimmung auf das Spiel. Peters ist längst im Stadion, um die Gegner zu
beobachten. Markus Weise, per Video oder mit eigenen Augen, hilft ihm dabei.
Nach während des Spiels werden die Schnittstellen nachgehalten, im PC
markiert. So geht die Spielnachbereitung blitzschnell.
Dann das Spiel. Die Abläufe sind festgelegt. 90 Minuten vor Spielbeginn
Abfahrt vom Hotel. 40 Minuten vor Spielbeginn Warmmachen, Dehnen, Einspielen.
Peters in dieser Phase sehr angespannt. Am besten bespricht man
organisatorische Dinge jetzt nicht mehr mit ihm. Wenn der Anpfiff erfolgt
ist, volle Konzentration. Jede Aktion wird von ihm emotional herausgebracht,
aber schon Sekunden später ganz rational analysiert. Man glaubt, nach diesem
Zornausbruch über eine missglückte Aktion würde er einen Spieler beim
Auswechseln in der Luft zerreißen. Der Spieler kommt - und wird von Peters
absolut gerecht beurteilt, aufgemuntert, gelobt.
Gestern Abend, nach seiner Rückkehr aus dem Krefelder Kreißsaal, wurde für
einen kurzen Moment im Anschluß an die Video-Besprechung des England-Spiels
zu einer Runde Paderborner unterbrochen. Und Peters fand besser, weil
lockerer denn je, ein paar grundsätzliche Worte an die Mannschaft. Er machte
eindringlich jedem deutlich, dass es für ihn als Trainer eine Ehre sei, mit
dieser Mannschaft arbeiten zu dürfen. Deshalb, weil jeder einzelne diese
Spitzenleistungen auf dem Niveau der Weltspitze mit diesem athletischen
Aufwand vollbringt, ohne dafür wie die Spieler anderer Nationen entgolten zu
werden. Als im besten Sinne Amateure, Liebhaber der Sache. Und er appellierte
an die Spieler, dass sie sich dieses Privilegs bewusst sein sollten, mit
ungefähr 25 Gleichgesinnten in einer Mannschaft an einem Strang ziehen und
auf ein Ziel hinarbeiten zu dürfen. Dabei spielt der 25. in dieser Gruppe
eine genauso wichtige Rolle wie die Nr. 1. Nur das Zusammenspiel aller macht
den Erfolg aus. Nie einprägsamer als am Abend seiner doppelten Vaterschaft
hat Mannschaftsvater Peters dieses ausgesprochen. Ich glaube, gerade an
diesem Abend kamen die Worte Peters bei jedem Spieler an.
Zurück zum Tagesablauf. Falsch. Es ist jetzt schon normalerweise Abend. Die
Mannschaft hat gespielt. Duschen, Umziehen, Essen, Entspannen. Peters ist
schon längst wieder mit Assistent Markus Weise auf seinem Zimmer, um die
angemarkten Schnittstellen anzuschauen, zusammenzuschneiden und die
Spielnachbereitung und -vorbereitung ("nach dem Spiel ist vor dem Spiel")
anzugehen. Gegen 21.30 Uhr steht Besprechung (Hupe sagt Beschimpfung) auf dem
Programm. Dann ist Peters ganz schnell verschwunden. Barkeeper in den
Hockeyhotels dieser Welt werden mit lauter Peters arbeitslos. Selbst nach dem
Turniererfolg beim Azlan-Shah-Cup in Kuala Lumpur nur ein kurzer Moment der
Freude. Dann schon wieder Konzentration auf die nächsten Aufgaben. "Kannst
Du jetzt nicht einfach einmal nur nichts tun, die Seele baumeln lassen,
abschalten?" - meine Frage an ihm im Flugzeug, ungefähr 2 Stunden nach dem
Turniersieg über die Weltspitze in Kuala Lumpur. "Nein, das war hier schön,
der Erfolg war toll. Die Mannschaft ist super. Aber dafür können wir uns
morgen nichts mehr kaufen. Was zählt ist die Weltmeisterschaft im März 2002."
Und machte sich wieder an seine Statistik des Spiels.
Nur gestern wirkte Peters entspannter als je. Als er zurück aus Krefeld aus
dem Kreißsaal in den Speisesaal einzog, in dem alle Mannschaften das Dinner
einnahmen, großer Applaus des deutschen Teams. Die anderen wurden aufmerksam.
Und erstmals konnte man Peters richtig entspannt lachen sehen. Er genoss
dieses kleine Bad in der Menge. Der Hockeymannschaft. Und war ganz stolz auf
seine Familie, seine Britta, Jan, Pauline und jetzt Sophie und Hannah. Ihr
Name sei ihm verhießen: Gott sei Dir gnädig. Bisher kann er nicht klagen.
Dieter Schuermann
PS wir grüßen die Peters in Krefeld, besonders unsere bisherige Webmasterin
Britta, die nun an anderen Netzen strickt. Toll gemacht, Britta!
HockeyHerzlichst
Dieter
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