Bayerischer Hockey-Verband

Nr. 114 - 16. September 2005

Die bayerische Variante der Ganztagsschule

Die flächendeckende Einführung der Ganztagsschule in Bayern steht noch in weiter Ferne, aber dafür kommt verstärkt etwas anderes, die Ganztagsbetreuung. Für die Vereine bleibt es sich gleich wie die neue Herausforderung für sie heisst. Fakt für die Vereine ist: Die Kinder und Jugendlichen haben immer mehr vermehrt auch nachmittags Schule und damit kaum noch Zeit für das Training am Nachmittag im Verein. Hier liegt aber auch eine Möglichkeit sich verstärkt in den Schulen einzubringen. Damit Sie wissen was da auf Sie zukommt, hier die wichtigsten Informationen zu diesem Thema. Weiterreichende Infos und Verträge finden Sie auf den Seiten des BLSV.

Ganztagsbetreuung - die Chance für den Verein

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt mit dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" den Ländern bis 2007 Finanzhilfen zur Verfügung, um die Ganztagsbetreuung an den Schulen weiter auszubauen und zu entwickeln.
Die Verteilung der Gelder bleibt den Ländern selbst überlassen.
Der Freistaat Bayern (vertreten durch das Bayerische Kultusministerium) sieht die ganztägige Betreuung vorerst nur in den Jahrgangstufen 5 bis 10 vor. Diese soll aus einer täglichen Mittagsverpflegung, schulischen Nachmittagsangeboten (Hausaufgabenbetreuung, Lernhilfen, unterrichtliche Förderung) und außerschulischen Nachmittagsangeboten (Freizeitangebote) bestehen. Weiterhin sieht das Kultusministerium die Betreuung und Leitung der Ganztagsangebote durch eine pädagogische Fachkraft vor.
Im Jahr 2004 gab es in Bayern bereits knapp 500 Schulen mit Ganztagsangeboten. Jährlich sollen ca. 150 Schulen hinzukommen.
Die Initiative zur Einrichtung einer ganztägigen Betreuung muss von der Schule, d.h. im Einvernehmen von Schulleitung und Elternbeirat ausgehen.
Die Trägerschaft einer Ganztagsbetreuung wird meist von gemeinnützigen freien Trägern (z.B. Schulverbände) oder Kommunen (z.B. Städte, Gemeinden) übernommen.
Sportvereine können sich als Partner neben Musikschulen, Kirchengemeinden und weiteren sozialen Einrichtungen in die inhaltliche Gestaltung der Ganztagsangebote mit einbringen. Die Betreuung muss an mindestens 4 Tagen die Woche gewährleistet sein und mindestens 12 Stunden umfassen. Ein Sportverein könnte bei einer Partnerschaft einen Teil der Gesamtbetreuungszeit (je nach personellen Ressourcen des Vereins) übernehmen. Die Finanzierung der Ganztagsbetreuung läuft mit jeweils einem Drittel über den Freistaat Bayern, die Kommune und die Eltern.
Bei einer durchschnittlichen Betreuungszeit von 15 Stunden die Woche wird pro Schüler ein Basisbetrag von 753,80 Euro pro Schuljahr veranschlagt, bei einer Betreuungszeit von 12-15 Stunden handelt es sich um einen Basisbetrag von 565,30 Euro pro Schüler der an den Betreuungsträger ausgezahlt wird. Der Träger übernimmt dann die Betreuungskosten der jeweiligen Partner.

Die Ganztagsbetreuung stellt eine große Chance für die Vereine dar:

1. Vereine können sich in die sportliche Mitgestaltung der Ganztagsangebote und somit in die sportliche Erziehung der Schuljugend einbringen. So kann der Zugang zur sportlichen Bewegung gelegt und durch zusätzliches Sporttreiben im Verein ausgebaut werden.
2. Die attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten stellen neue Potentiale und Perspektiven für Vereine dar. Ein Engagement in der Ganztagsbetreuung lohnt sich.
3. Der direkte "Draht" zur Schule schafft Möglichkeiten zur Kooperation (Sportarbeitsgemeinschaften, gemeinsame Projekttage, Zusammenarbeit bei Schulfesten und Wandertagen).
4. Durch die Zusammenarbeit mit der Schule hat der Verein die Möglichkeit eines größeren Mitspracherechts, z.B. bei der sportlichen Talentförderung.
Aufgrund der veränderten schulischen Bedingungen durch das 8-jährige Gymnasium (Nachmittagsunterricht an 2-3 Tagen die Woche) und der Reduzierung des Schulsports auf ca. 2 Wochenstunden wird es für den außerschulischen Sport (Vereinssport) immer wichtiger, sich in der Schule zu platzieren. Neben dem Kooperationsmodell "Sport nach 1" haben die Vereine jetzt die Möglichkeit, sich direkt und finanziell attraktiv ins Schulleben mit einzubringen.
Weitere Informationen bzgl. Voraussetzungen, Vorgehensweise und Übungsleiterqualifizierung sind in der Rahmenvereinbarung nachzulesen, die zwischen Kultusministerium, Bayerischem Musikrat und BLSV geschlossen wurden (www.blsv.de).

Rahmenvereinbarung
Musik und Sport in der Schule mit Ganztagsbetreuung

Auf der Grundlage des Konzepts der "Ganztägigen Förderung und Betreuung an Schulen" (KMBek vom 16.05.2002 Nr. IV.4-S7369-4.28702) wird zwischen dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus sowie dem Bayerischen Musikrat und dem Bayerischen Landes-Sportverband Folgendes vereinbart:
1. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, der Bayerische Musikrat und der Bayerische Landes-Sportverband sind sich einig, dass das pädagogische Konzept der Schule mit Ganztagsangeboten durch Angebote der Bereiche Musik und Sport erweitert werden soll, so dass möglichst alle Schülerinnen und Schüler ihre musischen, sportlichen und motorischen Fähigkeiten entdecken, erfahren und entfalten können. In diesem Sinne sollen Angebote des Bayerischen Musikrates und des Bayerischen Landes- Sportverbandes besonders berücksichtigt werden.
2. Der Bayerische Musikrat und der Bayerische Landes-Sportverband bieten den Trägern der Ganztagesangebote (im Folgenden "Träger") sowie Partnern fachliche Hilfestellung durch Beratung und Aus- und Weiterbildung der eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Bereitstellung von qualifiziertem Fachpersonal.
3. Sport- bzw. Musikangebote von Mitgliedern des Bayerischen Landes- Sportverbandes und des Bayerischen Musikrates sollen bei der Durchführung von Angeboten im Rahmen von Ganztagsangeboten an Schulen vorrangig berücksichtigt werden.
4. In den Ganztagesangeboten an Schulen soll seitens der Musik
• qualifiziertes Fachpersonal
sowie im Sport
• Übungsleiter und Übungsleiterinnen (mit Übungsleiterlizenzen "A", "J", "F")
oder
• Personal mit beruflichem Hintergrund oder mehrjähriger Erfahrung im Übungsbetrieb eingesetzt werden.
5. Vereine, Verbände, Institutionen und weitere Zusammenschlüsse (im Folgenden "Partner") aus den Bereichen Musik und Sport können auch die Trägerschaft der Ganztagesangebote an Schulen übernehmen (in diesem Fall erübrigt sich die vertragliche Vereinbarung).
6. Der Träger der Ganztagesangebote an Schulen schließt mit dem Partner einen Vertrag, in dem die Modalitäten festgelegt werden. Insbesondere soll er Regelungen über
• Art und Inhalt des musik- bzw. sportpädagogischen Angebots
• Zeitraum (Umfang, Dauer, Termine)
• Finanzierung
• Vergütung des Personals
• Einsatz des Personals
• Vertretung bei Krankheit, Urlaub etc.
und
• ggf. Versicherungsfragen enthalten (vgl. Mustervertrag).
7. Das musische und sportliche Angebot erfolgt in enger Abstimmung zwischen Schulleitung, Träger und Partnern. Die Schulleitung berät die Träger und Partner in dieser Angelegenheit.
8. Die Schulleitung unterrichtet das eingesetzte pädagogische Personal über grundlegende Angelegenheiten wie Aufsichtspflicht, Haftung, Hausordnung, Informationswege, Datenschutz etc.
9. Die Schulleitung stellt im Einvernehmen mit dem Sachaufwandsträger die erforderlichen Räume, Anlagen sowie vorhandene Sportgeräte und Musikinstrumente zur Verfügung. Es können auch Räume und Anlagen der Träger, Partner oder von Dritten (z.B. Kirchengemeinde, VHS, usw.) genutzt werden, wenn sie für Schülerinnen und Schüler fußläufig erreichbar sind.
10. Die Vereinbarung zwischen Träger und Partner gilt jeweils für ein Schuljahr, verlängert sich jedoch um ein weiteres Schuljahr, wenn sie nicht bis spätestens 30. April zum Ende des laufenden Schuljahres schriftlich gekündigt wird.
Quelle: BLSV

Appelle? Motive motivieren!

Mitarbeitergewinnung im Verein richtig anpacken

Freiwilligen-Management ist eine Marketing-Aufgabe. Und Marketing heißt: sich an den Erwartungen des Kunden orientieren. Soll man Freiwillige also als Kunden betrachten? Ja, denn dann wird die Herausforderung deutlich:

Gewinnen sie durch attraktive Angebote ihre Mitglieder fürs Mitmachen

Der Ausgangspunkt für erfolgreiches Freiwilligen-Marketing sind die Erwartungen der Mitglieder und Interessenten. Jede Zielgruppe hat spezielle Bedürfnisse, Frauen andere als Männer, Ältere andere als Jugendliche. Aus Untersuchungen ergeben sich aber einige Bedürfnisse, die über alle Zielgruppen hinweg eine wichtige Rolle spielen. Freiwillige möchten vor allem:
• mit Menschen zusammenkommen, die sympathisch sind
• etwas für das Gemeinwohl tun, anderen Menschen helfen können
• für ihre Engagement Anerkennung finden
• eigene Erfahrungen vertiefen können
• beruflich nützliche Kenntnisse erwerben können
• Verantwortung übernehmen, selbstverantwortlich entscheiden und gestalten
• Abwechslung zum Alltag haben

Und über allem steht:

Freiwillige wollen Aufgaben, die Spass machen!
Um in der Sprache des Marketing zu bleiben: Sie brauchen ein überzeugendes Produkt. Und Sie müssen es gezielt bewerben. Für beide Aufgaben gilt: Erfolgreich ist, was dem Kunden gefällt!

Marketing fürs Ehrenamt

Der Vorstand war sich einig: "Wir brauchen mehr Freiwillige!" Kein Problem, der Aushang war schnell geschrieben: "Unterstützung dringend gesucht. Bitte in die Liste eintragen. Danke! Der Vorstand."
Nach drei Wochen standen zwei Namen auf der Liste. Der Vorstand zog traurige Bilanz: "Unsere Mitglieder sind nicht mehr bereit, sich einzusetzen!"
Wirklich? Viele Untersuchungen kommen zu einem anderen Ergebnis:

Menschen sind immer noch bereit, sich zu engagieren! Aber Â…

Â… die Ehre und das Amt sind keine Selbstläufer mehr. Appelle an Hilfsbereitschaft und Pflichtgefühl verbrauchen sich schnell. Höchstens für den Notfall sind sie ein probates Mittel - besser es kommt gar nicht erst so weit.
Die Bedingungen müssen stimmen: Zum Gemeinwohl beitragen? Ja - heißt es heute - wenn es mir selbst auch gut tut.
Versetzen Sie sich in die Lage der Menschen, die Sie gewinnen wollen. Erspüren Sie ihre Bedürfnisse. Kommunizieren Sie in ihrer Sprache. Umso besser es Ihnen gelingt, desto erfolgreicher wird Ihr Freiwilligen-Management. Eine Aufgabe, die Planung verlangt. Wer allzu ungestüm aufs Spielfeld rennt, geht selten als Sieger vom Platz. Nehmen Sie sich Zeit für den Spielaufbau - dann wachsen die Erfolgsaussichten. Vier Schritte führen Sie ans Ziel:

1. Ziel(e) und Zielgruppe(n) bestimmen.

Welche Aufgaben sind zu erledigen? Welche Gruppen im Verein möchten Sie dafür gewinnen?
Zunächst geben sachliche Kriterien vor, welche Zielgruppen für welche Aufgaben infrage kommen. Zum Beispiel, wenn persönliche und fachliche Kompetenzen nötig sind. Oder wenn Ziele der Vereinsentwicklung die Zielgruppe vorgeben - zum Beispiel die verstärkte Einbindung von Frauen in Führungsaufgaben.
Aber in letzter Konsequenz entscheiden die potenziellen Freiwilligen selbst: Reizt mich die Aufgabe genügend, um mich zu engagieren? Überlegen Sie deshalb frühzeitig, welche Aufgaben - unter welchen Voraussetzungen - bestimmte Gruppen in Ihrem Verein interessieren könnten. Denken Sie also von der Zielgruppe aus, setzen Sie deren Brille auf: Nur wenn Sie herausfinden, welche Bedürfnisse die Zielgruppe leiten, hat Ihr Angebot Aussicht auf durchschlagenden Erfolg.

2. Motive und Erwartungen der Zielgruppe(n) ermitteln.

Wie sollte ein Schneider dem Kunden einen Anzug auf den Leib schneidern, wenn er nicht zuvor genau Maß genommen hätte? Zielgruppenspezifisches Marketing erfordert denselben Aufwand. Menschen für die Mitarbeit zu gewinnen, macht also zunächst mal Arbeit. Sie benötigen Daten über die Gruppen potenzieller Freiwilliger, die Sie ins Auge gefasst haben:
• Welche Ziele motivieren sie?
• Wie wollen sie arbeiten? Sind sie eher Einzel- oder Mannschaftsspieler?
• Wie viel Verantwortung wollen sie übernehmen?
• Wann haben sie wie viel Zeit?
• Welche Erwartungen haben sie an das Arbeitsumfeld, die Einbindung in die Kommunikation und die technische Ausstattung?
Ein kleiner Ausschnitt nur der Fragen, die sich Ihnen stellen. Wenn Sie die Antworten finden, finden Sie auch neue Mitspieler. Am besten, Sie befragen Ihre Zielgruppen, was ihnen wichtig ist - In persönlichen Gesprächen und durch eine schriftliche Befragung.

3. Ein attraktives Angebot entwickeln.

Jetzt gilt es, die Interessen des Vereins und die Bedürfnisse potenzieller Freiwilliger auf einen Nenner zu bringen. Im Zweifelsfall haben immer letztere den Vorrang - sonst war alle Vorarbeit vergeblich! An Aufgabenprofilen lässt sich herumtüfteln, an den Bedürfnissen der Menschen nicht. Ihre Kreativität ist gefragt:
• Können wir zum Beispiel neue, attraktivere Querschnittsaufgaben konzipieren?
• Oder weniger beliebte Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen?
• Wie lässt sich das Bedürfnis, (schnelle) Erfolge der Arbeit zu sehen, am besten befriedigen? Vielleicht durch Projektarbeit?
• Können wir Zielgruppen durch ein zeitlich begrenztes Schnupper-Ehrenamt auf den Geschmack bringen?
• Wirkt ein befristetes Ehrenamt auf Zeit der Befürchtung entgegen, überfordert zu werden?
• Wie können wir das Engagement aufwerten? Zum Beispiel durch einen Freiwilligen-Vertrag: Er verdeutlicht, welchen Stellenwert die ehrenamtliche Arbeit im Verein hat. Natürlich sollte er auch die Pflichten des Vereins beschreiben, zum Beispiel gründliche Einarbeitung und Anleitung, Feedbackgespräche und mehr. Wenn auch kostenlose Fortbildung dazugehört - umso besser. Das muss nicht zwangsläufig teuer werden, zum Beispiel, wenn Ehrenamtliche andere Ehrenamtliche fördern. Wie wäre es denn mit einem Sonder-Training für engagierte Jugendliche durch den Trainer der 1. Mannschaft?

4. Für das Angebot werben.

Jetzt geht es in den letzten Spielabschnitt, die Werbung. Um Engagierte zu gewinnen, sollten Sie für die freiwillige Mitarbeit werben wie für Mitgliedschaften und Vereinsangebote:_Betonen Sie, welchen Nutzen das Engagement für den Angesprochenen und den Verein hat. Klare Ziele und mögliche Erfolge motivieren mitzumachen. „Was bewirkt es, wenn ich mich engagiere? Warum könnte es mir Spaß machen?“ Auf diese Fragen sollten Sie überzeugende Antworten finden - und in einer Sprache formulieren, die bei der Zielgruppe ankommt. Gerade im Gespräch mit Jungendlichen sollten Sie das Ehrenamt auch begrifflich entstauben. Die in Vereinen Engagierten bezeichnen sich selbst heute zum Bespiel meist als Freiwillige statt als Ehrenamtliche. Nützlich ist ein auf die Zielgruppe zugeschnittener Argumentationsleitfaden. Beziehen Sie auch mögliche Bedenken ein, zum Beispiel den zeitlichen Aufwand.
Ein Aushang am schwarzen Brett schadet nicht, reicht aber kaum. Sie brauchen zumindest einen gut gestalteten Handzettel, den Sie der Zielgruppe zukommen lassen. Besser ist eine Informationsveranstaltung - hier können Sie Charme und Überzeugungskraft wirken lassen. Die persönliche Ansprache ist noch effektiver. Und besonders hilfreich sind Fürsprecher, die bei der Zielgruppe Gehör finden - die "Vorturner, Mannschaftsführer und Leithammel". Gelingt es Ihnen, solche Mitstreiter für freiwilliges Engagement zu begeistern, ist das Spiel schon fast gewonnen.
Erfolgreiches Freiwilligen-Marketing erschöpft sich nicht in einmaligen Werbeaktionen. Die Wertschätzung, die Ihr Verein genießt und die Wertschätzung, die Freiwillige in Ihrem Verein genießen, sind dauerhaft entscheidend. Aktive Öffentlichkeitsarbeit und eine Vereinskultur, in der auch das kleine Engagement gewürdigt wird, schaffen die positiven Vorzeichen für Ihre Botschaft.
Wichtig ist auch, die Identifikation mit dem Verein zu stärken. Einheitliche Mannschaftstrikots lassen sich beispielsweise schon mit kleinem Budget finanzieren. Sie könnten sie sogar durch einen originellen Aufdruck für die Werbung neuer Mitglieder nutzen.
Quelle: ehrenamt-im-sport

Ehrenamtliche gewinnen - und dann?

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit ehrenamtlichem Engagement in einer Pfarrgemeinde - ist aber auch für Verantwortliche in Sportvereinen lesenswert. Hier stehen nicht Techniken und Managementfragen im Vordergrund. Der Autor stellt sich der Frage, warum und wie das Ehrenamt sinnvoll ist. Und gibt viele Antworten die auch für Vereine interessant sind.
Ein Beispiel
Frau S. ist seit Jahren im Besuchsdienst ihrer Pfarrgemeinde engagiert. Sie wird von der Gemeindereferentin gefragt, ob sie nicht Frau P. besuchen könne. Die sei Alkoholikerin und schwer krank. Frau P. liege im Krankenhaus, wahrscheinlich habe sie nur noch zwei oder drei Monate zu leben. In dieser Zeit könnte ihr ein wöchentlicher Besuch gut tun, ihr das Gefühl geben, nicht allein zu sein.
Frau S. sagt zu, obwohl sie durch ihr sonstiges Engagement zeitlich schon sehr in Anspruch genommen ist. Sie besucht Frau P. einmal pro Woche. Zwei Monate, vier Monate, sechs Monate. Frau P., am Anfang noch bettlägerig, kommt zu Kräften. Sie kann mit Frau S. schließlich sogar kürzere Spaziergänge machen. Die Ärzte sagen Frau S., dass ihre Besuche Frau P. neue Kraft gegeben haben.
Ein Jahr vergeht, der Gesundheitszustand von Frau P. schwankt sehr stark. Die Besuche werden Frau S. mittlerweile zu einer Belastung. Zeitlich, aber auch psychisch kommt Frau S. an ihre Grenzen. Sie möchte die Besuche am liebsten einstellen, aber darf sie Frau P. jetzt im Stich lassen?
Nach eineinhalb Jahren ringt sie sich - nicht ohne schlechtes Gewissen - endlich zu einer Entscheidung durch: Sie wird Frau P. künftig nur noch alle zwei Wochen besuchen. An dem selben Tag erhält sie einen Anruf aus der Klinik: Frau P. sei heute gestorben. Dieses zeitliche Zusammentreffen löst bei Frau S. Schuldgefühle aus. Sie hat das Gefühl, Frau P. im Stich gelassen zu haben.
Das Beispiel - nicht für diesen Artikel ausgedacht, sondern leider allzu real - zeigt, wie es nicht gehen sollte, wenn sich jemand ehrenamtlich engagieren will. Frau S. wird für eine Aufgabe gewonnen - und dann allein gelassen. Die Gemeindereferentin (es könnte auch der Pfarrer, der Diakon, der Pastoralreferent oder der Pfarrgemeinderats-Vorsitzende sein) ist bestrebt, für eine Aufgabe jemanden zu gewinnen. Danach ist der Fall für sie "erledigt"; ein weiterer Kontakt, etwa ein Gespräch darüber, wie es Frau S. in ihrer Aufgabe geht, findet nicht statt.
In den letzten Jahren wird verschiedentlich über neue Formen des Ehrenamtes diskutiert (vgl. z.B. Eugen Baldas, Durch Seelsorgeeinheiten neue Chancen im Ehrenamt, in: Pfarrgemeinderat und Seelsorgeeinheiten, Freiburger Materialdienst für die Gemeindepastoral 3/99, 23ff). Im folgen möchte ich einige Anregungen aus dieser Diskussion aufgreifen und vorstellen.

Ehrenamtliche gewinnen

Wie gewinnen wir nur ehrenamtliche MitarbeiterInnen? Diese Frage bewegt fast alle, die in einer Pfarrgemeinde (bzw. Seelsorgeeinheit) oder einem Verband Verantwortung tragen. Es scheint immer schwieriger zu sein, bestimmte Aufgaben fortzuführen, weil nicht klar ist, wer es denn machen soll. Wer folgt nach, wenn bewährte MitarbeiterInnen sich zurückziehen? Schwierig scheint insbesondere, Jüngere für ehrenamtliche Tätigkeit in Gemeinden zu gewinnen.
Ehrenamtliches Engagement ist keineswegs "out". Aber es ist dabei, sich zu wandeln. Angesichts einer Fülle von Unterhaltungs- und Freizeitmöglichkeiten, unter denen man auswählen kann, aber auch angesichts einer Vielzahl anderer Verpflichtungen, ist ehrenamtliches Engagement immer häufiger eine Ergänzung zu anderen Möglichkeiten, seine Zeit zu verbringen. Wer sich engagiert, hat nebenher oft noch andere, vielleicht auch zeitintensive Verpflichtungen. Damit meine ich nicht, dass die Leiterin des Besuchsdienstes zugleich Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) und außerdem noch Mitglied im Kirchenchor ist. Sondern dass generell die Mitarbeit in der Pfarrgemeinde eine von mehreren Aufgaben und Freizeitaktivitäten ist.
Wer sich engagiert, überlegt sich heute sehr genau, wofür er seine (knappe) Zeit einsetzt. Ehrenamtliche MitarbeiterInnen kann ich dann am ehesten gewinnen, wenn klar ist, wofür sie sich engagieren sollen. Das klingt ziemlich banal, ist in der Praxis aber keineswegs selbstverständlich: Eine Menge Energie geht in Pfarrgemeinden verloren, weil nicht geklärt ist, wer für was zuständig ist. Außerdem gibt es den verhängnisvollen Effekt, dass für immer neue Aufgaben stets die bereits Aktiven angefragt werden. Das führt dazu, dass weniger Engagierte immer mehr machen (sollen). Die Leiterin der Kindergottesdienstgruppe wird gebeten, ob sie nicht auch Pfarrbriefe austrägt, in der katholischen öffentlichen Bücherei aushelfen kann und den bunten Abend beim Pfarrfest mitgestaltet, "weil Sie das ja so gut können". Das Prinzip, die ganze Hand zu nehmen, wenn der Finger gereicht wird, ist zwar eine "moderne Form der Christenverfolgung" durch hauptberufliche pastorale MitarbeiterInnen, führt aber dazu, dass das Ehrenamt in der Kirche für viele Menschen unattraktiv wird.
In Zukunft muss und wird es selbstverständlicher sein, dass ehrenamtliches Engagement begrenzt ist. Begrenzt sowohl hinsichtlich der Aufgabe ("Ich mache im Liturgiekreis mit, aber darauf beschränke ich mich auch") als auch in bezug auf den Umfang ("Einmal in der Woche eine Stunde Präsenz in der Teestube - mehr schaffe ich nicht") als auch mit Blick auf die Dauer der Tätigkeit ("Ich verpflichte mich für das nächste halbe Jahr, danach höre ich wieder auf"). Gerade der letzte Punkt wird zunehmend an Bedeutung gewinnen, da die Tendenz in unserer schnelllebigen Zeit dahin geht, sich für einen überschaubaren Zeitraum festzulegen. Für eine begrenzte Aktion, ein Projekt o.ä.

Ehrenamtliche begleiten und fortbilden

Toll, jetzt hab ich Ehrenamtliche gewonnen - dann kann ich mich ja anderen Aufgaben zuwenden. Oder nicht?
Nein, denn wie das eingangs geschilderte Beispiel zeigt, ist es mit der Gewinnung von Ehrenamtlichen natürlich nicht getan. Die hauptberuflichen pastoralen MitarbeiterInnen haben die Aufgabe, die Ehrenamtlichen auf ihre Aufgabe vorzubereiten und sie dafür zu qualifizieren, oder zu ermöglichen, dass sie die zahlreichen Fortbildungsangebote des Dekanates, der Region, der Diözese wahrnehmen können.
Vielleicht noch wichtiger als die eher punktuellen Fortbildungen ist eine kontinuierliche Begleitung vor Ort. Viele Leiterinnen von Besuchsdienstkreisen z.B. klagen darüber, dass sie vom Pfarrer, von der Pastoral- bzw. Gemeindereferentin oder vom Diakon nicht unterstützt werden. "Frau Müller macht das ja schon seit 15 Jahren, das wird schon recht sein" - mit diesen und ähnlichen Aussagen werden aktive Gemeindemitglieder faktisch im Stich gelassen.

Ehrenamtliche - mit Kompetenz und Verantwortung!

Die Kirche setzt nicht auf ehrenamtliche MitarbeiterInnen, weil die Zahl der hauptamtlichen Kräfte zurückgeht, sondern weil alle Glieder der Kirche als getaufte und gefirmte Christinnen und Christen berufen sind, am Reich Gottes mitzuarbeiten. Schöne Sätze, aber sie dürfen keine frommen Worthülsen bleiben. Dieses Prinzip muss sich vielmehr in der Praxis erweisen.
Ehrenamtliche sind keine Lückenbüßer, die man braucht, weil die Profis nicht mehr alles allein schaffen. Sie sind TrägerInnen der Pastoral. Das heißt nicht zuletzt, dass sie (Entscheidungs-) Kompetenz und Verantwortung erhalten müssen. Wenn ein Pfarrgemeinderat etwa - wie vor Jahren im Dekanat Sigmaringen - darüber entscheidet, ob die Gemeinde den Weg der "Firmung mit 17" geht und für Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren einen offenen Treff einrichtet, dann nimmt er Verantwortung für die Pastoral der Gemeinde vor Ort wahr. Das ist allemal interessanter, befriedigender und motivierender als darüber zu befinden, ob - überspitzt formuliert - das Osterfeuer dieses Jahr rechts oder links vom Kircheneingang angezündet wird.
Die Pastoral der Gemeinde mitgestalten, im Rahmen der übernommenen Aufgabe Entscheidungen treffen und diese auch verantworten - das sind Merkmale für künftiges erfolgreiches Ehrenamt. In diesen Zusammenhang gehört auch die Verantwortung in bezug auf die Finanzmittel, die für den ehrenamtlichen Dienst nötig sind. Wer drei Kinder groß gezogen und ein Haus gebaut hat, für den ist es unzumutbar, im Pfarrbüro um jede Briefmarke zu betteln. Eine Budgetierung (selbstverständlich mit Ausgabenkontrolle) ist ein sinnvoller Weg, um die Eigenverantwortlichkeit von Ehrenamtlichen zu fördern.

Wertschätzung und Anerkennung

Zur Definition des Ehrenamtes gehört, dass das Engagement unentgeltlich, ohne Bezahlung erfolgt. Das ist der Unterschied nicht nur zur Berufstätigkeit, sondern auch zu Honorartätigkeiten. Doch wenn auch kein Honorar gezahlt wird - das Engagement will honoriert sein.
Nun ist es nichts Neues, dass jede freiwillige Tätigkeit immer auch für die Person, die sich engagiert, Gewinn bringt. Der zwar nicht in klingender Münze besteht, aber in der Wertschätzung, die einem entgegengebracht wird ("Ehrenamt" hat immer auch etwas mit "Ehre" zu tun), in dem schönen Gefühl, wirklich etwas sinnvolles getan zu haben, in der Entdeckung und Entfaltung der eigenen Fähigkeiten und Talente, oder im Bewusstsein, gebraucht zu werden. Oder manchmal auch viel schlichter, aber in keiner Weise unwichtiger: Das Engagement soll Spaß machen!
Was die Verantwortlichen in der Gemeinde hier beitragen können, ist die echte, ernst gemeinte Wertschätzung und Anerkennung. In vielen Gemeinden hat sich hier schon eine gute Kultur entwickelt, die vom Helferfest bis zum persönlichen Dank unter vier Augen reicht, und in der deutlich wird, dass der ehrenamtliche Dienst etwa vom Pfarrer oder Pfarrgemeinderats-Vorsitzenden wirklich wahrgenommen und gewürdigt wird.

Aufhören

"Aber wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe ..."
Wie kann man als Ehrenamtliche/r in guter Weise aufhören? Ohne, dass man gleich den moralischen Druck verspürt, die Gemeinde im Stich zu lassen, weil sich vielleicht niemand findet, der die Arbeit fortführt, sei es, dass man wirklich kritisch angeschaut wird, oder weil man selbst der Illusion aufsitzt, ohne mich bricht alles zusammen.
Ich fürchte, die "Kultur des guten Aufhörens" ist in den Gemeinden noch recht wenig entwickelt, sofern es nicht - wie beim Pfarrgemeinderat o.ä. - um eine vorher festgelegte Amtszeit geht. Aber wenn es wirklich einen Trend zum eher kürzerfristigen Engagement und zur begrenzten Verpflichtung gibt, dann werden Situationen von Verabschiedung und Neubeginn häufiger.
Ganz heikel wird es, wenn etwa langjährig aktive Ehrenamtliche selbst nicht einsehen möchten, dass es gut wäre, andere zum Zug kommen zu lassen, oder sie sich mit ihrem Engagement überfordern. Wer kann denn auf gute Weise sagen, dass es Zeit wäre aufzuhören? Das ist oftmals - verständlicherweise - ein Tabuthema. Aber wenn es darum geht, Perspektiven für künftiges Ehrenamt zu entwickeln, sollte dieser Aspekt nicht ausgespart werden.

Zusammenfassung - Eine Untersuchung

Eine Untersuchung über das Engagement Ehrenamtlicher im Bistum Bamberg (vgl. im Internet: www.freiwilligen-kultur.de) kommt zu folgenden zusammenfassenden Ergebnissen, die die vorgestellten Überlegungen bestätigen:
• Ehrenamtliche wollen als gleichwertige "freiwillige Mitarbeiter" akzeptiert werden, unabhängig vom Umfang der jeweiligen Tätigkeit und Leistung.
• Ehrenamtliche wollen eigene Verantwortung übernehmen und die Gemeinde mitgestalten. Voraussetzung dafür ist ein Vertrauen der Hauptamtlichen in die Kraft des Ehrenamts.
• Ehrenamtliche wollen besser informiert und an allen konzeptionellen und sachlichen Entscheidungen beteiligt sein, die Auswirkungen auf das Ehrenamt bzw. das Gemeindeleben haben.
• Ehrenamtliche wollen eine klare Arbeitsteilung (Komplementarität), d.h. unterschiedliche, ergänzende Arbeitsbereiche von Haupt- und Ehrenamt. Klare Abmachungen während der (notwendigen) Einweisung bzw. Einarbeitung sind zur Orientierung erforderlich.
• Ehrenamtliche wollen sich in ihrem Engagement wohlfühlen und suchen den Kontakt und Austausch mit Anderen. Aufgabe der Hauptamtlichen ist es hier, Teamarbeit zu initiieren, Gruppen zu koordinieren und zu vernetzen.
• Ehrenamtliche wollen sich engagieren, aber nicht verausgaben. Die Freiwilligkeit des angebotenen Engagements sollte ernstgenommen und nicht moralisch ausgenutzt werden. Überlastungen sollten abgebaut werden.
• Ehrenamtliche wollen Begleitung und Betreuung, z.B. Ansprechpartner und Beratung in Problemfällen und regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit der Möglichkeit zur integrierten Fortbildung; Hauptamtliche sind hier im Idealfall "Dienstleister".
• Ehrenamtliche wollen eine personenbezogene Ausbildung, Einarbeitung und Weiterbildung, die bereits vorhandene Kompetenzen ergänzt und zur Persönlichkeitsentwicklung und eigenen Selbstsicherheit beiträgt.
• Insbesondere jüngere Ehrenamtliche wünschen sich - neben einer prinzipiell respektierenden Einstellung den Jugendlichen gegenüber - neue, auch unverbindlichere Möglichkeiten eines Engagement"erlebnisses".
Gemeinsam mit der ganzen Gemeinde sollte nach Bereichen gesucht werden, in denen etwas getan werden müßte, und wer etwas tun will/könnte. Dabei sollten vor allem zeitlich überschaubare Projekte mit absehbaren Erfolgsmöglichkeiten entwickelt werden.
Norbert Kebekus

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