Spielerportrait: Philipp Crone

Der "Herr der Stöcke" hat sein Ziel fest im Auge

Der Mann hat Oberschenkel, die in keine Röhrenjeans passen. Selbst die weit geschnittene Hockeyhose der Nationalmannschaft wirkt bei ihm wie eine hautenge Leggins.

Text: Karsten Lehmann



Philipp lehnt sich an den Pfosten des Tores. Ausdehnen steht auf dem Programm nach dem Länderspiel gegen Malaysia in Leipzig. 70 harte Minuten hat der Münchner hinter sich. Und das bei sonnigen 30 Grad im Schatten. Nur Schatten findet man nicht auf dem Hockeyplatz. Anstrengend. Doch der 24-Jährige wirkt taufrisch, als ob er die letzten 70 Minuten am See gefaulenzt und dazu genüsslich ein Maß Bier geschlürft hatte. Der Mann ist fit bis in die Haarstoppeln.

Seine angespannten Muskeln bilden auf seinen Unterarmen das Relief eines Mittelgebirges. Kein Wunder, dass er mit solchen Unterarmen, die sich manche als Waden wünschten, den wohl härtesten Schrubbschlag der Nation hat. Der Münchner lächelt, kleine Schweißperlen laufen ihm über die Stirn: "Das liegt nicht nur an der Kraft." Er zeigt auf seinen Schläger. Der ist blau. Und aus Holz. "Da steckt das Geheimnis drin." Er nimmt das Wunderholz. "Niemand spielt mit solch einem schweren Schläger. Nur das Gerät von Calle Fischer hat ähnliche Dimensionen."

Die Stimme des Biologiestudenten ist ruhig und gelassen, als er von seinem Alltag spricht, von seiner Wohnung und den Freuden, die das Leben in München mit sich bringt. Crone lebt in einer ganz normalen Wohngemeinschaft. "Bett und Stereoanlage stehen in meinem Zimmer. Und die Süddeutsche Zeitung ist in der ganzen Wohnung verteilt." Klingt alles ganz normal. Aber eins fehlt fur eine typischen WG: der Gemeinschaftsfernseher. "Ich bin ohne Fernsehen aufgewachsen. Zu Hause gab es nie eine Mattscheibe." Grund dafür ist sicherlich Mama Crone, die als Psychologin arbeitet. "Ich denke, dass ich dadurch eine viel kreativere Auffassungsgabe gewonnen habe, die mir auch im Hockey sehr hilft."

Seine Kreativität erkennt man nicht nur auf dem Hockeyplatz. Crones im Internet stehende Notizen aus dem Innenleben der Nationalmannschaft wie jüngst täglich aus Malaysia (www.deutscher-hockey-bund.de) oder sonst unter www.sportgate.com sind köstlicher Lesestoff.

Immer wieder dehnt sich der Nationalverteidiger. Er ist ein akribischer Arbeiter, das bescheinigt ihm sowohl sein Vereinstrainer von Rot-Weiß München, Hans Baumgartner, als auch der Bundestrainer, Bernhard Peters. "Philipp ist immer als Erster beim Lehrgang und nimmt auch alle Lehrgänge mit", sagt der deutsche Teammanager Dieter Schuermann. Philipp sieht das ganz gelassen: "Ich kann mich gut organisieren." Und das ist wahr: Studium, Hockey und dazu noch Musik. Alles bekommt er auf die Reihe. "Jedes hat seinen Platz. Ich will keines missen." Es ist ein lauer Sommerabend in München, und dazu gehört in Bayern ein Bier. Dies gilt auch fur einen Nationalspieler. "Unter der Kastanie ein Russenmaß (Weißbier mit Zitronenlimonade) und das Nationalgericht Obadzda (Camembert, den die Sonne über Tage mit ihren warmen Strahlen gekitzelt hat) mit warmer Riesenbreze (brotartiges Lebensmittel, das nur unterhalb des Weißwurstäquators erhältlich ist)."

Und dann heißt es mit Freunden träumen. "Träumen von einer Welttournee als Musikerstars, denen die Mädchen hinterherlaufen und mit ihren Rundungen becircen." "Hupe" schwelgt in Phantasien, als er sich am Pfosten festhält und sein Ausdehnprogramm fortsetzt. Doch so weltfremd sind diese Gespinste des Schlagzeugspielers, den die Süddeutsche Zeitung als "Herrn der Stöcke" titulierte, gar nicht. Seine Band "So why." produziert gerade die zweite CD. Und vielleicht kommt der große Durchbruch.

Den großen Durchbruch hat er in Sachen Hockey längst geschafft. Seit 1998 ist er fest im Stamm der Nationalmannschaft, hat seitdem kaum ein Spiel verpasst. Nach Meinung von Florian Kunz, dem Kapitän der DHB-Auswahl, ist Crone zur Zeit sogar "der beste Verteidiger der Welt". Der 165-fache Nationalspieler (Stand: 8.9.01), inwischen in der Innenverteidigung etabliert, hat sein Ziel fest im Auge: "Olympia 2004 in Athen." Seine Lider ziehen sich bei diesem Satz zusammen, als hätte er einen Krampf bekommen. Doch die Beine sind in Ordnung. "Mir fällt nur wieder Sydney ein. Diese eine, entscheidende Strafecke gegen Großbritannien." Diese eine Strafecke, die Deutschland die Halbfinalteilnahme und deshalb eine mögliche Medaille kostete. "Ich habe wochenlang davon geträumt. Immer und immer wieder geht der Ball über meinen Schläger. Ich stehe auf der Linie - und kann nichts machen." Seine Stimme wird ernst und entschlossen. "Das wird nicht noch einmal passieren. Und dafür werde ich alles geben."

Das Dehnen hat ein Ende. Abendessen. Langsam schlendert der erst kürzlich zum neuen Akivensprecher der Nationalmannschaft benannte Mann in die Gaststätte des ATV Leipzig. Das bayrische Nationalgericht ist nicht serviert. Ein großes Steak hat Crone sich auf den Teller gepackt. "Gutes Essen gibt es überall. Und sicherlich auch in Athen", mampft Philipp. Na dann, guten Appetit und großen Heißhunger auf Olympia.

  <<< zurück


2024 © VVIwww.HockeyPlatz.de