Freitag, den 10.8.2001 in Kuala Lumpur

Die "Bäderabteilung"
Berichte aus dem Innenleben der deutschen Herren-Nationalmannschaft!

Alle Mann wohlauf. Keine Verletzten, keine Kranken. "Montezumas Rache" ein unbekanntes Wort. Allenfalls Co-Trainer Markus Weise ist bereits zum dritten Mal in diesem Jahr außer Rand und Band, tja, wenn man alt wird Markus, ist auch zum Morgenlauf intensives Warmmachen angesagt (sagt einer, der am Schreibtisch sitzt).
Dass keine besonderen Vorkommnisse zu melden sind, unsere Medizinmänner allenfalls durch ihren Laufstil auffallen (siehe Hupes Reisenotizen) oder ungewöhnliche Einkaufserlebnisse (wem gelingt es, auf dem China-Markt den höchsten je erzielten Kaufpreis für eine Breitling zu erreichen? Hier führt unser Physio die "Goldene Kundenliste" der gerngesehensten Touris mit weitem Vorsprung vor einer Kegeltruppe aus dem Bayerischen Wald an), gerade darin erweist sich der Erfolg unserer Bäderabteilung". Zimmer 1525, im 15. Stock, mit wunderbarer Aussicht auf die Skyline KLs, hier vor dem Panorama-Fenster steht die Massagebank unseres Physios Mario Plesse. Hier kann der Patient mit dem Blick auf die Petronas-Twin-Towers leicht in die weite Welt entschwinden und die Seele baumen lassen, oder sein Blick schweift an die Zimmer-Decke, wo ihm das jeweilige Playmate des Monats ganz irdene Sehnsüchte nach daheim, fern von dieser Männerwelt eines Herren-Hockey-Turniers in einem muslemischen Land erweckt.
Hier ist die Residenz unseres Physios Mario Plesse und unseres "Doktors" Andi "Ibu" Neuking. Zum neuen Team von Bundestrainer Bernhard Peters gehören auch seit Jahresbeginn diese beiden, wenn auch schon mit längerer Hockeyerfahrung. "Super-Mario" ist schon seit 1996 bei verschiedenen DHB-Mannschaften dabei. Seit 1999 war er "ständiger Begleiter" des Junioren-Bundestrainers Bernhard Peters. Der 29-jährige Beverunger (Weserbergland, Landkreis Höxter, irgendwo ganz weit hinter den sieben Bergen, fernab von jeder Autobahnabfahrt oder anderer Drive-ins) ist von morgens bis spät in die Nacht für die Jungs im Einsatz. Kneten, tapen, salben, schmieren vor dem Spiel und erst recht nach dem Spiel. Fürs Spiel für Eis und Wasser sorgen (der erste Gang an jedem Ort ist immer der nach der Eismaschine) und unentwegt, gerade in schweißtreibenden Gegenden wie hier, für Getränke.
Ca. 75 Liter Basica-Drinks mischt Mario hier pro Spiel auf und reicht sie den Spielern rund um den Platz, beim Training und beim Spiel, dabei tatkräftig unterstützt von unserem Doktor, dem auch die kleinen Handreichungen nicht unter der ärztlichen Würde sind. Gerade "Ibu" (benannt nach der entzündungshemmenden Salbe Ibuprofen) sorgt mit seiner gewinnenden Lockerheit für die entspannte Stimmung in der Bäder-Abteilung. Dazu gibt Super-Mario bei jedem Witz der Patienten sein meckerndes Lachen dazu. Unsere Bäderabteilung ist zwar in erster Linie für die Physis verpflichtet, die Seelen-Massage scheint mir dabei der wichtigere Job. Wie beim Friseur findet hier der Mannschaftstratsch statt, kann man mal seinen Frust rausquatschen, wenn es nicht so läuft. Ohne gleich Gefahr zu laufen, dass im "Bunker" ein IM lauscht. Der sitzt allenfalls an dieser Stelle und posaunt alles auf diese Weise an die deutsche Hockeyöffentlichkeit.
Während Mario vom Fußball kommt (was gibt es sonst in Beverungen? Aber Mario hat fest versprochen, eine Hockeyabteilung beim SV Dalhausen zu gründen. Er will den Präsidenten, Spielertrainer und Spielmacher geben) und seine aktive Laufbahn der Knie wegen als A-Jugendlicher aufgeben musste und jetzt seinem Kreisklassenteam nur noch als Physio an den Wochenenden auf weserbergländischen Fußballäckern zur Verfügung steht, ist "Ibu" ein richtiger Hockeyspieler.
Von Hans Baumgartner, meinem Vorgänger hier, nicht nur als Jugendlicher beim RHTC fürs Hockeyspielen entdeckt und trainiert, sondern auch später als Vertreter vom letzten Mannschaftsarzt Willi Widermayer gewonnen und schon des öfteren international dabei. Der verheiratete Chirurg (Töchterchen Lucie wurde - viel zu früh - einen Tag vor seinem offiziellen Dienstantritt vor der Halleneuropameisterschaft im Januar dieses Jahres geboren) betreibt eine eigene Praxis in Regensburg, wenn er sich nicht mit der Nationalmannschaft in der Weltgeschichte herumtreibt. Da ist das Fernbleiben von zu Hause nicht nur privater Schmerz, da entstehen auch finanzielle Einbußen, die der Regensburger wie auch Super-Mario, der seinen Urlaub opfert, gern in Kauf nimmt, weil er zur Zeit unheimlich gern mit der Mannschaft unterwegs ist. "Das Team ist spitze. Eine exzellente Mischung. Sagenhaft, wie die Älteren die Jungen einbeziehen. Da gibt es keine Cliquen. Die Mannschaft hat was." Da macht es dem noch bei den Alten Herren des RHTC ab und an aktiven 38-Jährigen einfach Freude zu helfen. Das geht weit über das Medizinische hinaus. Er bespricht mit den Küchenchefs die Speisepläne, immer wie vom Coach Bernhard Peters gewünscht mit wenig Fett ("ih, Pizza!) und vielen Kohlehydraten. Ab und an bekommen wir dann doch gemeinsam ein paar Glücksenzyme mittels dieser italienischen Lieblingskost auf die Speisekarte.
Wie man sieht, für Leib und Seele ist gesorgt - bei den Zweien von der Bäderabteilung.

HockeyHerzlichst
Dieter Schuermann (Teammanager)

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