Masters WM in Valencia
Erfahrungsbericht von Schiedsrichter Marcel Emmerichs

Im spanischen Valencia fand vom 23. Juni bis zum 01. Juli 2023 der „World Master Hockey European Cup 2023“ für die Altersklassen ab 65, 70 und 75 statt. Das klingt auf dem ersten Blick nach einer ruhigen Sonntagmorgen-Bewegung. Jedoch zeigte sich schnell, dass Alt-Herren-Hockey auch eine sportlich aufregende und anspruchsvolle Seite aufweist. Auch aus der Sicht eines Schiedsrichters waren die zehn Tage in Valencia geprägt von anstrengenden und herausfordernden Spielen. Ich, Marcel Emmerichs, war für die Europameisterschaft in Valencia als Schiedsrichter normiert und berichte von meinen Erfahrungen auf und neben dem Platz in Spanien.
Ein Tag vor dem Start der Europameisterschaft hieß es für mich ab zum Flughafen und auf nach Valencia. Mit gepackten Koffer stand ich am frühen Donnerstagmorgen am Flughafen von Düsseldorf. Mit einem kurzem Zwischenstopp über Frankfurt am Main bin ich pünktlich zur Mittagszeit im warmen Valencia gelandet. Schnell war ein freies Taxi gefunden, welches mich auf direktem Weg zum Hotel gefahren hat. Angekommen an der Unterkunft habe ich meinen deutschen Schiedsrichterpartner Ralph Bonz kennengelernt, mit dem ich mir die kommenden Tage ein Hotelzimmer geteilt habe. Danach ging es zum ersten Mal in Richtung der drei Hockeyplätze, welche in direkter Nähe zum Universitätscampus von Valencia lagen. Am frühen Abend stand für alle Schiedsrichter das erste Kennenlernen und das offizielle Briefing auf dem Terminplan. Unsere niederländischen Schiedsrichter-Manager Reinier Verhoeven und Hans van Rensen stimmten mit uns diverse Regeln und Abläufe ab, um alle Schiedsrichter auf den gleichen Stand zu bringen. Dabei bestand unser Schiedsrichter Team aus 29 Personen, welche aus 15 Nationen angereist sind. Schon einige Wochen vor der Europameisterschaft wurden wir regelmäßig mit Regelvideos und Regelauslegungen per Mail informiert. Denn wer im Glauben war, dass Alt-Herren-Hockey-Spiele ohne größere Anstrengung mal eben so geleitet werden können, wurde schnell eines Besseren belehrt. Natürlich ist die Spielgeschwindigkeit deutlich langsamer als im „normalen“ Liga Betrieb, dennoch war aus Sicht eines Schiedsrichters jederzeit volle Konzentration gefragt. Zudem waren körperliche Fouls glücklicherweise eher selten zu sehen. Andererseits ist in dieser Altersklasse die Anzahl an Zweikämpfen und Stock-Tacklings deutlich höher.
Die Europameisterschaft wurde nach dem Schiedsrichter Briefing durch eine Eröffnungsshow feierlich eröffnet, an der alle Mannschaften und Offiziellen teilgenommen haben. Insgesamt waren neben den europäischen Nationen auch Teams aus Australien und Fernost an dem Turnier vertreten. Das war für mich eine besondere Erfahrung, denn für mich war es das erste Turnier dieser Größe.
Am Freitag begannen die ersten Spiele der Europameisterschaft: Der Gastgeber Spanien startete um 10:15 Uhr beim Spiel gegen die Auswahl aus England als erste Mannschaft in das Turnier. Ich war für dieses Spiel der Altersklasse Ü70 als Reserve Schiedsrichter eingeteilt. Die Aufgabe des Reserve Schiedsrichters war es die Abläufe zwischen den Mannschaftsbänken in Zusammenarbeit mit dem Turnier-Offiziellen zu organisieren. Neben dem korrekten Einhalten von Zeitstrafen assistierte der dritte Schiedsrichter auch dabei, wenn beispielsweise die Rückennummer eines Torschützen in das Spielprotokoll eingetragen werden musste. Die Hauptaufgabe war es jedoch im Falle einer Verletzung eines Schiedsrichters auf dem Feld diesen ersetzen zu können.
Das Eröffnungsspiel startete pünktlich und die Anhänger aus Spanien und England füllten die Tribüne, welche auf Höhe der Mittelline aufgebaut war. Nach frühen Treffern beider Mannschaften siegten die Engländer am Ende verdient mit 3:1.
Für mich ging es nach dem Auftakt in dieses Turnier am frühen Abend um 18 Uhr als Schiedsrichter weiter. Es stand das Duell zwischen den Niederlanden und Belgien in der Altersklasse Ü75 an. Eine Stunde vor Spielbeginn war ich mit meinem Schiedsrichter Kollegen und dem Reserve Schiedsrichter dieses Spieles zur Spielbesprechung verabredet. Ähnlich wie in den nationalen Liegen haben wir neben der Einrichtung des Funks wesentliche Absprachen und Regelungen für das kommende Match getroffen. Kurz darauf ging es auf den Platz zum Warm-Up. Bei Temperaturen von mehr als 34°C und einer Luftfeuchtigkeit von knapp 80 Prozent wurden beide Kapitäne zur Seitenwahl gerufen. Danach ging es für mich und meinen englischen Schiedsrichterkollegen, gefolgt von den Spielern der beiden Ü75 Teams, auf den Platz. Meine Vorfreude war riesig als beide Mannschaften sich mittig auf dem Spielfeld aufstellten. Es folgte ein kurzes Shake-Hands und dann ertönte in meinem ersten Spiel dieser Europameisterschaft der Pfiff zum Anstoß. Es war genau das Spiel, was ich vorher erwartet habe, denn die Engländer waren das bessere Team, sodass die Belgier sich zum Ende mit 0:3 geschlagen geben mussten. Nach dem Spiel habe ich, wie in jedem Spiel dieser Europameisterschaft, eine Beurteilung unsere Schiedsrichter-Beobachter erhalten. Erschöpft und glücklich ging es für mich nach dem Spiel und dem Abendessen zurück zum Hotel.
Die folgenden neun Tage erfolgten nach einem ähnlichen Ablauf: Ich hatte pro Tag nahezu immer zwei Ansetzungen als Schiedsrichter und eine Ansetzung als Reserve Schiedsrichter. Den Plan für die kommenden Spiele habe ich dazu immer am Abend vorher von unserem Schiedsrichter-Manager Reinier Verhoeven erhalten. Die ersten Spiele starteten immer um 8:00 Uhr, wobei die letzten Partien um 20:15 Uhr angepfiffen wurden. Auch aus kulinarischer Sicht haben wir Schiedsrichter eine sehr gute Verpflegung bekommen. Im Hotel gab es ein reichhaltiges Frühstücks Buffet und in der Mittagszeit konnten wir diverse lokale und internationale Speisen essen. Zum Abendessen bin ich zusammen mit meinem Zimmer Kollegen Ralph immer in die Innenstadt von Valencia gefahren. Am letzten Donnerstagabend wurden alle Mannschaften und Schiedsrichter zum Offiziellen Dinner eingeladen. Etwa 10 Kilometer außerhalb von Valencia gelegen, wurde in einer Event-Location ein Dreigängemenü serviert.
Die spanischen Temperaturen waren auch aus der Sicht eines Schiedsrichters eine neue Erfahrung. In der Mittagszeit erreichte das Thermometer mehr als nur einmal die 41°C. Auf dem Platz fühlte es sich sogar etwas heißer an, was mitunter an der hohen Luftfeuchtigkeit lag. Am Abend waren die Bedingungen etwas angenehmer, was mitunter an der untergehenden Sonne lag.
Natürlich dürfen Besichtigungen der Stadt Valencia nicht fehlen. Aufgrund meiner hohen Anzahl an Spiele blieb aber nur ein Nachmittag für eine Erkundung der spanischen Stadt am Meer übrig. Valencia ist eine Stadt, welche geprägt ist von der Mischung aus modernen und alten Gebäuden. Aber auf jeden Fall ist die Stadt mit den langen großen Sandstränden und der historischen Innenstadt immer einen Besuch wert!
Im Vordergrund dieser Reise stand jedoch jederzeit das Leiten von Spielen auf dem Hockeyplatz: Mein persönliches Highlight war neben den zahlreichen Spielen während der Gruppenphase die Nominierung für das Halbfinale und Finale der Altersklasse Ü65. Am Donnerstag, den 29.06.2023, durfte ich das Halbfinale zwischen Southern Cross und den Niederlanden leiten und nur zwei Tage später stand ein Klassiker im Endspiel bevor: Die Niederlande und England duellierten sich um die Gold Medaille. Meine Anspannung war genauso groß wie die Vorfreude auf dieses Spiel. Zusammen mit meinem spanischen Schiedsrichterkollegen habe ich mich intensiv auf diese Partie vorbereitet. Die Vorbereitungen haben sich ausgezahlt: 19:35 Uhr – die Sonne geht langsam unter, die Nationalhymnen beider Nationen erklingen über die Lautsprecheranlagen und zahlreiche Anhänger und Interessierte haben sich rund um den Hockeyplatz versammelt. Als der Pfiff zum Anstoß ertönte waren auch die vielen englischen und niederländischen Fans lautstark zu hören. Bis zum Ende des dritten Viertels waren in dem hoch intensiven und fairen Spiel keine Tore zu verbuchen. 30 Sekunden vor der Pause zwischen dem dritten und vierten Vierteln traf die niederländische Mannschaft sehenswert. Die Führung hielt jedoch nicht sehr lange, denn auch die Niederländer haben den gegnerischen Torwart nach einer kurzen Ecke in der 55. Spielminute überwunden. Nach vielen vergebenen Chancen haben die Engländer kurz vor Ende des Spiels dennoch das Siegtor zum 2:1 erzielt. Für mich als Schiedsrichter war es eine einmalige Erfahrung, denn der unermüdliche Spielstil beider Mannschaften hielt das Spiel lange offen. Auch war es großartig, dass das Publikum bis zur letzten Minute ihre Teams lautstark angefeuert hat. Das Feedback, was ich nach dem Spiel erhalten habe, habe ich so nicht erwartet: Vertreter beider Mannschaften gratulierten uns als Schiedsrichter Team zu der guten Leistung. Auch seitens der Beobachter war dieses Spiel ein voller Erfolg!
Schon lange war das helle Flutlicht der Platzanlage eingeschaltet, als alle Mannschaften sich zur Siegerehrung aufgestellt hatten. So viele Spieler aus allen Altersklassen und diversen Nationen auf dem Feld gleichzeitig zu sehen, ist ein Anblick, den ich nicht vergessen werden. Es folgten nach der Vergabe der Pokale und Medaillen die obligatorischen Fotos der Teams, aber auch ein Foto des 29-köpfigen Schiedsrichterteams durfte nicht fehlen.
Nach einem langen und anstrengenden letzten Turniertag ging es für mich dann wieder am späten Samstagabend zurück ins Hotel. Auf dem Heimweg habe ich noch einmal die Ereignisse der letzten Stunden und Tage rekapituliert. Es war für mich ein unfassbares Hockey Event, was nicht nur Spaß gemacht hat, sondern ich konnte auch Schiedsrichter, Spieler, Trainer und Teammanager aus der ganzen Welt kennenlernen. Für mich als Schiedsrichter war dieses internationale Masters-Turnier ein voller Erfolg. Das Briefing, die Beobachtung, das Pfeifen mit unterschiedlichen Partnern und die Kommunikation auf Englisch waren anfangs eine gute Herausforderung. Denn eine Europameisterschaft ist keine Urlaubsreise, da der Sport täglich im Vordergrund steht. Durch die professionellen Betreuung der Schiedsrichter Manager wurde uns Schiedsrichtern ein angenehmes Umfeld bereitet. Am Sonntag, den 01. Juli 2023 hieß es für mich wieder Koffer packen, denn der Rückflug nach Deutschland stand an.
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