Hockey Nachrichten

Keine Dopingbefunde beim olympischen Hockeyturnier

Interview mit der Kölner Ärztin Dr. Wiebke Müller-Eising über ihren China-Job

 

06.09.2008 - Hat Ihnen Peking und China so gut gefallen, dass Sie gleich noch eine Woche Urlaub im Land angehängt haben?

Müller-Eising: Das war von vornherein geplant. Ich hatte mir gesagt, dass ich nach zweieinhalb Wochen Olympia und ungefähr 50 Hockeyspielen meinen Geist noch mit etwas anderem beschäftigen muss, bevor ich zuhause wieder zu arbeiten beginne. Also gab es noch eine einwöchige Rundreise durch den Süden Chinas, verbunden mit Fahrrad- und Mountainbike-Touren und Wanderungen.


Was hat denn ein Medical Officer bei einem olympischen Hockeyturnier eigentlich zu tun?

Müller-Eising: Da war erst einmal einiges im Vorfeld abzuklären. Wir sind am Tag vor der Eröffnungsfeier drei Stunden lang über das Gelände der Hockeyanlage gegangen und haben alles angeguckt. Es ging darum, die medizinischen Begebenheiten abzuchecken, also zu schauen, wo beispielsweise die Notarztwagen stehen und welche Abtransportwege sie zurückzulegen haben, wie die Notfallaufnahme organisiert ist, wie die Räumlichkeiten für die Dopingkontrollen ausgestattet sind oder welches ärztliche Equipment am Platz zur Verfügung steht, um auch einmal eine Platzwunde zu nähen, wenn einmal kein Mannschaftsarzt zuständig ist.


Man darf doch davon ausgehen, dass bei einem olympischen Turnier jedes Team mit einem eigenen Mannschaftsarzt ausgestattet ist. Was ist da noch für einen Medical Officer zu tun, wenn ein Turnier einmal läuft?

Müller-Eising: Direkte ärztliche Tätigkeiten übt man in dieser Funktion tatsächlich kaum aus, höchstens wenn bei den Offiziellen, also beispielsweise Schiedsrichtern, etwas vorfällt. Ansonsten sind wir eher übergeordnet und delegierend im Einsatz. Der unmittelbare ärztliche Einsatz ist in manchen Ländern für Ausländer rechtlich nicht unproblematisch. Es ist immer auch eine Frage der Zulassung. Die Mannschaftsärzte durften die Athleten ihres Teams in China selbstverständlich behandeln, doch als Übergeordneter, wie ich das in meiner Funktion war, hätte ich nach chinesischem Recht normalerweise nicht ärztlich behandeln dürfen. Bei Olympia ist es in der Tat keine Frage, dass alle Mannschaften von eigenen Ärzten begleitet werden. Doch bei etwas kleineren Turnieren ist das nicht immer der Fall. Auf der anderen Seite ist der Ausrichter verpflichtet, immer einen Arzt am Platz zu haben. Ein Medical Officer hat sich dann darum zu kümmern, dass das auch tatsächlich der Fall ist.


Wie waren denn die Bedingungen in Peking? Vergleichbar mit denen von Athen 2004, wo Sie auch schon in der gleichen Funktion für die FIH tätig waren?

Müller-Eising: Die Anzahl der Helfer und Volunteers war diesmal deutlich höher als vor vier Jahren. Die Plastikbestecke für das Nähen von Platzwunden waren völlig ungenügend, da haben wir erst einmal vernünftige Nadeln und Fäden besorgt. Ansonsten konnte man die medizinische Grundausrüstung als vergleichbar bezeichnen. Da gibt es so etwas wie eine olympische Norm, weil das Internationale Olympische Komitee und der internationale Fachverband hier auch klare Vorgaben setzen. Eine Orientierung an den Vorgängerveranstaltungen ist üblich. So hat jetzt bei den Spielen in Peking eine Engländerin mitgearbeitet, die in vier Jahren in London für diesen Bereich zuständig sein wird.


Wie war die Bilanz der Verletzungsfälle beim olympischen Hockeyturnier 2008?

Müller-Eising: Es gab glücklicherweise nicht viel zu beklagen. Eigentlich hatten wir nur einen größeren Problemfall. Einer südafrikanischen Spielerin wurde ein Zahn komplett und noch ein halber aus dem Oberkiefer herausgeschlagen. Ich selbst habe den Vorfall nicht gesehen, da ich mich an diesem Abend am anderen Platz befand. In der Zahnklinik im Olympischen Dorf konnte der Spielerin zumindest ein Zahn wieder eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang ging dann in den Gesprächen mit dem IOC die große Diskussion los, ob es nicht sinnvoll wäre, bei den ganz großen Turnieren wie WM, EM oder eben Olympia auf der Anlage immer einen Zahnarzt zu haben. Es passiert im Hockey gerade wegen des Mundschutzes eigentlich nicht häufig etwas Schlimmes im Kieferbereich, aber wenn ein Unfall eintritt, dann wäre für die Betroffenen die schnelle Anwesenheit eines Zahnarztes eine sehr wichtige Angelegenheit.


Wurde denn eigentlich in der Zusammenarbeit der beiden Medical Officer strikt zwischen Damen- und Herrenturnier getrennt? Waren Sie also nur für die weibliche Seite zuständig?

Müller-Eising: Nein, das wäre schon alleine wegen der vielen Dopingkontrollen gar nicht gegangen. Einer beleitete die ausgewählten Athleten zur Dopingprobe, der andere blieb zum nächsten Spiel am Platz. Ich hatte mich mit dem holländischen Kollegen von vornherein abgesprochen, dass wir uns gegenseitig unterstützen. Also waren wir beide jeden Tag auf der Hockeyanlage. Insgesamt war es für uns beide zeitlich ein deutlich höherer Aufwand als in Athen 2004.


Der Mehraufwand war durch die Erhöhung der Dopingkontrollen begründet?

Müller-Eising: Ja, auch. Vor vier Jahren gab es 62 Tests beim olympischen Hockeyturnier. In Peking wurden 80 Urinproben und acht Bluttests durchgeführt. Das Mehr an Kontrollen geschah auf vertragliche Vereinbarung zwischen dem IOC und der FIH und entsprach ja auch der Gesamtstrategie. Die Zahl der Dopingkontrollen ist von rund 3600 in Athen auf diesmal 4500 angestiegen.


Waren im Hockey alle genommenen Proben sauber?

Müller-Eising: Ja, alle Tests brachten ein negatives Ergebnis. Das bestätigt die Erfahrung, dass Doping im Hockey kein Problem, eigentlich sogar gar kein Thema ist. Im Hockey-Hochleistungsbereich ist in der Vergangenheit nahezu nie etwas über eine Manipulation mit unerlaubten Mitteln bekannt geworden. Auf tieferer Ebene, etwa im Ligaspielbetrieb, gab es in Verbindung mit der Einnahme von Designerdrogen wie Koks schon ab und zu mal einen Vorfall. Doch mit Doping im klassischen Sinn hat das ja eigentlich nichts zu tun.


Blieb Ihnen denn in Peking trotz der täglichen Verpflichtung noch etwas Zeit und Gelegenheit, andere olympische Momente außer Hockey aufzuschnappen?

Müller-Eising: Wir Offiziellen durften bei der Eröffnungs- und Schlussfeier auf den Zuschauerrängen im Olympiastadion dabei sein, wobei ich auf die Schlussfeier verzichtet habe. Dann fanden ja in der Nähe der Hockeyanlage die Wettbewerbe im Bogenschießen und im Tennis statt, wo der holländische Kollege und ich mit unseren Dopingkontrollausweises leicht auf die Anlagen kamen. Ich war außerdem noch einmal beim Fechten, beim Turmspringen und beim Turnen. Also olympische Erlebnisse abseits des Hockeyplatzes hat man auf alle Fälle.


Und in vier Jahren geht es für Sie nach London zu den Spielen 2012?

Müller-Eising: Das ist noch ein weiter Weg, außerdem liegt die Entscheidung darüber nicht bei einem selbst. Die Berufung erfolgt über die FIH.

» Alle Nachrichten auf einen Blick

 
29. Mai 2024
« zurück
» mehr Nachrichten
Apps für den Ergebnisdienst
 

» Impressum   » Datenschutz © 2024 • hockey.de