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"Video-Beweis erfolgreich - aber auch noch nachbesserbar"

Interview mit dem deutschen WM-Schiedsrichter Christian Blasch

12.03.2010 - Christian Blasch (HTC Uhlenhorst Mülheim) war erneut der deutsche Schiedsrichter bei der Weltmeisterschaft in Neu Delhi. Der 34-Jährige pfeift seit 1998 international und seit der Champions Trophy 2002 in Köln auch bei den FIH-Championaten, hat inzwischen zweimal bei Olympischen Spielen teilgenommen und nun auch schon bei der zweiten Weltmeisterschaft. hockey.de führte mit dem jungen Familienvater am Freitag ein Interview, befragte ihn zu seinen Erfahrungen in Neu Delhi.

 

 

Wenn man Bilder von Ihnen gestern im Fernsehen gesehen hat, wurde einem bewusst, wie anstrengend der Schiedsrichter-Job im heißen Neu Delhi ist...

Christian Blasch: „Das Spiel ist einfach so unglaublich schnell geworden durch den ‚self-pass’. Da ist man die ganze Zeit nur unterwegs. Es war grundsätzlich ein anstrengendes Turnier, auch weil sich die Reihen bei uns Schiedsrichtern zwischendurch durch Verletzungen und Magen-Darm-Infekte ganz schön gelichtet hatten. Aber damit muss man umgehen können. Auch ich habe zwischendurch mit Fieber und Schüttelfrost flach gelegen – damit muss man leider rechnen bei Einsätzen in solchen Ländern.“

 

Die erweiterte Nutzung des Video-Umpires war ein großes Thema bei dieser WM. War es auch aus Ihrer Sicht eine erfolgreiche Einführung?

Christian Blasch: „Die Quote der Referrals (Verweisung von Entscheidungen an den Video-Umpire, Anm. d. Red.), die zu Gunsten der Teams ausfallen, bei denen also die von den Teams angenommene Meinung bestätigt wurde, lag bei dieser WM bei über 50 Prozent. Damit hat sich dieses Entscheidungsmittel meiner Meinung nach absolut bewährt. Für uns Schiedsrichter ist es auch fraglos ein gutes Hilfsmittel, weil uns dadurch doch einiger Druck genommen wird. Unruhe entsteht auf dem Platz ja doch in den meisten Fällen dann, wenn es Fehlentscheidungen gibt, beziehungsweise ein Team sich im Unrecht fühlt. Dennoch finde ich, dass es nach der Einführung noch Nachbesserungen geben sollte.“

 

An was denken Sie da zum Beispiel?

Christian Blasch: „Wir Schiedsrichter selbst können den Video-Referral ja nur nutzen, um die Entscheidung „Tor oder Nicht-Tor“ überprüfen zu lassen. Die Teams können zusätzlich um Ecken-, Siebenmeter- oder Torentscheidungen nachfragen. Ich denke, dass auch sonst viel Entscheidendes auf dem Platz – und da vor allem im Angriffsviertel – stattfindet, was manchmal eine Überprüfung Wert wäre. Trotzdem darf die Nutzung des Video-Umpires aber auch nicht den Rahmen sprengen! Zudem steht und fällt deren Nutzen auch mit der Qualität der jeweiligen TV-Produktion des Turniers. Wenn man Zeitlupe und Super-Slomo aus unterschiedlichen Blickwinkeln zur Verfügung hat, dann ist es prima. Nur wenn man das hat, ist der Video-Umpire eine große Hilfe!“

 

Es führt aber auch dazu, dass Spieler und Zuschauer, die die Zeitlupen auf der Videowand sehen, mitdiskutieren...

Christian Blasch: „Es werden gar nicht alle Bilder und Einstellungen, die sich der Video-Schiedsrichter anschauen kann, auf der Video-Wall im Stadion oder in der TV-Übertragung gezeigt. Trotzdem können gerade die Bilder auf der Video-Wand zu Irritationen führen, weil die Spieler sie ja auch sehen. Damit nicht die Spieler, die gerade an einer nachfolgenden Aktion nicht beteiligt sind, beim Blick auf die Wand noch nachträglich einen Videobeweis anfordern, weil sie gesehen haben, dass da irgend etwas nicht in Ordnung war, heißt es in der Regel, dass der Referral in sofortigem Zusammenhang mit der strittigen Situation angefordert werden muss.“

 

Ihre Nominierung für das Halbfinale war sicher eine tolle Bestätigung für Ihre Turnierleistung. Wie zufrieden sind Sie selbst mit sich?

Christian Blasch: „Ich bin insofern sehr zufrieden, weil ich nur eine recht begrenzte Vorbereitung auf die WM absolvieren konnte. Mein letztes Feldspiel war in der Bundesliga-Hinrunde 2009. In den letzten Monaten war ja mit zehn Zentimeter Schnee auf den Plätzen an Feldhockey in Deutschland gar nicht zu denken. So bestand die Vorbereitung vorwiegend aus Fitness und Arbeit auf dem Laufband sowie viel Videostudium. Es war deshalb auch nicht ganz einfach zu Turnierbeginn wieder reinzukommen.“

 

War das Halbfinale Ihr persönliches Highlight bei der WM?

Christian Blasch: „Ein Halbfinale leiten zu dürfen war schon mein persönliches Ziel, alles weitere ist ja auch immer vom Abschneiden des deutschen Teams abhängig. Toll war aber auch die Partie Indien gegen England, weil man da mal vor vollen Rängen in diesem Stadion pfeifen durfte, das sonst ja doch leider oft relativ leer war.“

 

Nun hat Ihnen das deutsche Team ja erneut die Final-Chance vermasselt, indem es sich qualifiziert hat...

Christian Blasch (lacht): "Ja, aber die Jungs haben sich aufrichtig dafür entschuldigt! Und sie haben ja auch wirklich eine tolle Leistung gebracht. Das erste Match gegen Korea fand ich noch eher schwach, aber dann haben sie sich kontinuierlich gesteigert und stehen auch, wie ich finde, zu Recht im Finale."

 

Waren Sie als Schiedsrichter in Ihrer persönlichen Bewegungsfreiheit aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen ähnlich eingeschränkt wie die Teams?

Christian Blasch: „Man konnte schon das Hotel verlassen, aber da war einfach auch nicht viel in der Umgebung. Im Prinzip hat man zwei Wochen auf dem Hotelzimmer oder im Stadion verbracht. Deshalb fällt es mir auch schwer, dieses Turnier mit der WM 2006 in Mönchengladbach zu vergleichen, wo einfach im Umfeld viel mehr geboten war. Das Stadion wirkte drum herum auch eher dreckig und halbfertig – und wenn man keine wirkliche Ablenkung hat, dann wirkt so ein Turnier um so länger. Ich fand aber auch das Niveau des Hockeys bei dieser WM nicht ganz so hoch wie bei Olympia oder bei der WM 2006 – ob das am Umbruch bei vielen Teams lag, weiß ich nicht. Es waren auch richtig gute Spiele dabei, aber insgesamt kam das Spielniveau nicht an das von Peking heran.“

 

Sie sind berufstätig und inzwischen ja auch junger Vater. Wie lange sehen wir Sie denn noch als Schiedsrichter bei den Top-Turnieren?

Christian Blasch: „Es gibt hier einige, die nach der WM aufhören. Dann wird die Personaldecke bei den internationalen Top-Schiedsrichtern wieder deutlich dünner. Ich selbst möchte eigentlich schon gern bis Olympia 2012 in London weitermachen. Schwierig ist es aber schon, das mit dem Privatleben zu vereinbaren, wenn ich bedenke, dass ich hier für die WM schon wieder die Hälfte meines Jahresurlaubs verbraten habe...“

 
6. Mai 2024
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