100 Jahre DHB:

100 Geschichten aus 100 Jahren DHB

20. Dezember 1987:

Deutsche pfeift Deutsche im EM-Finale

Das Finale der 5. Hallen-Europameisterschaft der Damen in Bad Neuenahr zwischen Gastgeber Deutschland und den Niederlanden unterscheidet sich nicht nur von der Klasse und der Bedeutung des Spiels deutlich vom Rest der vorangegangenen Gruppen- und Überkreuzspiele. Der holländische Trainerfuchs Gjis van Heumen sieht die einzige Chance, die Hallenhockey-Weltmacht Deutschland zu besiegen, in einer List. Bis unmittelbar vor dem Anpfiff lässt van Heumen ganz normal seine Stammtorhüterin Alette Pos warmspielen. Als die beiden Teams dann nach der Begrüßung Aufstellung nehmen und es vor 650 erwartungsfrohen Zuschauern los geht, hat die Torhüterin plötzlich zugunsten einer sechsten Feldspielerin auf der Bank Platz genommen. Fast die kompletten 40 Spielminuten ziehen die Oranjes diese Überzahltaktik durch. Der Gegner ist, wie beabsichtigt, überrumpelt und muss sich auf die neue Situation erst einstellen. Der Mannschaft von Bundestrainer Wolfgang Strödter gelingt es – aber nur mit viel Mühe und nur ganz knapp. Dank der individuellen Klasse von Spielerinnen wie Gaby Appel oder Caren Jungjohann glückt der DHB-Auswahl ein 10:8-Sieg über die frechen Holländerinnen, die bis sechs Minuten vor Schluss beim Stand von 8:8 alles offen halten. „Unser Sieg war die richtige Antwort auf die Arroganz der Holländerinnen“, sagt später Gaby Appel, die bei Siegerehrung auch zur besten EM-Spielerin gewählt wird.

Ein besonderes Spiel ist das EM-Finale nicht nur wegen der holländischen Überraschungstaktik. Auch die Ansetzung der Schiedsrichterinnen ist beachtlich: Eine Deutsche pfeift Deutschland. Und trotzdem ist es eine „neutrale“ Ansetzung, wie es die Regularien bei solchen internationalen Turnieren vorschreiben. Das Endspiel wird geleitet von Christiane Asselman aus Belgien und Ilona Popp aus Köthen. Die internationale Unparteiische des Deutschen Hockey-Sportverbandes der DDR wurde vom europäischen Verband als neutrale Schiedsrichterin für die EM nominiert – eine „Überraschung“, wie sie sich noch Jahre später gut daran erinnert. Auch an die Schwierigkeiten im Vorfeld. Denn obwohl die Sportlehrerin damals schon zwei internationale Pfeif-Einsätze im kapitalistischen Westen absolviert hatte (Helsinki, Amsterdam), war den Sport- und Politfunktionären des Ostens diese Einladung zunächst nicht geheuer. Popp („Ich war keine Parteigenossin“) sollte nicht in die BRD reisen dürfen. Die Sache kam bis vor die höchsten Staatsinstanzen. Margot Honecker höchstpersönlich, die „First Lady“ der DDR, genehmigte schließlich die rein entfernungstechnisch kurze, aber sportpolitisch durchaus große Reise der Hockey-Schiedsrichterin.

Das Motto „Dabei sein ist alles“ trifft für für die 43-Jährige nicht zu. Nach drei Vorrundeneinsätzen („einmal zusammen mit meiner westdeutschen Kollegin Bärbel Aichinger“), die alle ganz gut für Ilona Popp verlaufen, wird die Ostdeutsche zusammen mit der erfahrenen Belgierin Asselman für das Endspiel nominiert. „Ich war viel zu naiv, um mir da vorher irgendwelche Gedanken um eine Endspielteilnahme oder ähnliches zu machen. Es ist halt einfach gut gelaufen“, weiß sie damals gar nicht so recht, wie ihr geschah. „Wahrscheinlich war ich auch deshalb gar nicht besonders aufgeregt.“
„Durch den ständigen Einsatz einer Feldspielerin mit Torwartrechten war es auch für uns Schiedsrichter ein sehr anstrengendes Spiel“, sagt Ilona Popp, die die Überzahltaktik so extrem angewandt nie zuvor gesehen hat. Letztlich sind auch die beiden Unparteiischen gut damit zurecht gekommen. „Die Beurteilung war okay.“

Das Hallen-EM-Finale 1987 wird Ilona Popp rückblickend als „Höhepunkt meiner Karriere“ bezeichnen. Zwischen 1982 und 1991 leitete die Köthenerin 42 Feld- und 21 Hallen-Länderspiele.

Das deutsche Hallen-EM-Siegerteam 1987: Susi Wollschläger, Pia Büchel, Dagmar Bremer, Caren Jungjohann, Silke Wehrmeister, Beate Deininger, Gabi Schley, Gaby Appel, Martina Hallmen, Eva Hegener, Bettina Blumenberg, Irina Kuhnt.

 

Foto: Ilona Popp (links) während eines Siebenmeters von Beate Deininger im Hallen-EM-Endspiel 1987 in Bad Neuenahr.   Foto: direvi

 
19. April
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