Von Play-off-Bärten und geküssten Schweinen

Tibor Weißenborn und Sebastian Draguhn über Aberglaube, Marotten und Rituale

Sind Hockeyspieler abergläubisch, haben sie kleine Marotten und pflegen sie – alleine oder im Team – unantastbare Rituale? Tibor Weißenborn (26) und Sebastian Draguhn (24) sind in Potchefstroom diesen Fragen nachgegangen. Ihre Ergebnisse am Beispiel des aktuellen Herren-Nationalteams waren letztlich nicht so ergiebig, wie die beiden Weltmeister das vielleicht vermutet hatten. „Ich weiß nicht, ob die Leute sich nicht trauen, mit ihren Sachen rauszurücken. Jeder hat bestimmt eine Kleinigkeit auf Lager, die aber nicht abstrus oder sonst wie auffällig ist“, sagt Sebastian Draguhn, der bei seiner Umfrage „nicht viel rausgekriegt“ hat.
Wenn schon die anderen nicht mit intimen Eigenheiten so recht rausrücken wollten, müssen halt die beiden Protagonisten selbst herhalten. Der Wahl-Kölner Tibor Weißenborn: „Bei Turnieren rasiere ich mich vor dem ersten Spiel und dann bis zu unserem letzten Match nicht mehr. Das gibt dann so eine Art Play-off-Bart. Das ist auch das Einzige, woran ich mich seit Jahren immer halte.“ Bei der WM 2006 war Weißenborns Stoppelpracht um Kinn und Wangen herum am weitesten gediehen.
Sebastian Draguhn pflegt ein vergleichsweise jüngeres Ritual: „Vor der WM 2006 habe ich von meiner Freundin ein etwas größeres Stoffschwein geschenkt bekommen. Mein Zimmerkollege Jan-Marco Montag und ich, wir haben das Schwein dann beim Verlassen des Zimmers zum ersten Spiel aus einem Spaß heraus geküsst. Das haben wir dann bis zum Ende konsequent durchgezogen, und bekanntlich hat es ja Glück gebracht.“ Für den Neusser Weltmeister ist klar: „In Japan wird das Schwein wohl wieder dabei sein.“ Wie will man in Kakamigahara die Olympia-Qualifikation denn sonst schaffen?
Gegen Weißenborns Rasierschema oder Draguhns Schweine-Bussis wirkt die Eigenheit von Moritz Fürste, immer als letzter Spieler den Platz zu betreten, vergleichsweise bieder. „Wir haben festgestellt, dass Hockeyspieler keine großen Aberglauben oder besondere Marotten pflegen“, glaubt Tibor Weißenborn, zumindest den aktuellen Nationalkader betreffend. Vorbei die Zeiten, in denen Florian Kunz als stark abergläubischer Mensch das Auswahlteam gar als Kapitän anführte. Gleich eine ganze Reihe festgefügter Abläufe verfolgte der Zwei-Meter-Mann vor dem Spiel. Mit seiner Weigerung, in der Einspielphase ein Eins-gegen-eins zu bestreiten, trieb Kunz manchen Trainer gelegentlich in die Zornesröte. Erstaunlicherweise war „Flocke“ im Wettkampf meist ein besonders guter Zweikämpfer.
In der Gemeinschaft haben einige Rituale Einzug gehalten. Das Aufwärmprogramm hat seinen minutiös festgelegten Ablauf, auch beim Beschwörungskreis unmittelbar vor Spielbeginn gibt’s den immer gleichen Spruch. Zu jedem größeren Turnier wird vom deutschen Herrenteam mittlerweile regelmäßig eine Motivations-CD zusammengestellt, zu der jeder Spieler seinen persönlichen Lieblingshit einbringen darf. Die CD läuft dann vor und nach jedem Spiel. Sebastian Draguhn gibt schließlich noch ein Schmankerl vom WM-Triumph 2006 bekannt: „Beim Endspiel hatten alle Spieler Unterwäsche mit dem aufgedruckten goldenen HoNaMas-Adler an.“ Jetzt kennen wir auch das letzte Erfolgsgeheimnis der Peters’schen Bundestrainerzeit.