Mittwoch, den 8.8.2001 in Kuala Lumpur

Schiedsrichter Christian Blasch - auf dem Weg ein ganz Großer zu werden!
Berichte aus dem Innenleben der deutschen Herren-Nationalmannschaft!

Die deutsche Mannschaft hat heute einen Ruhetag. Wir sind eingeladen beim Deutschen Botschafter, Herrn Staks, in seine Residenz (so die offizielle Bezeichnung im Diplomaten-Deutsch).Aber die netten Mitarbeiter seines Hauses, die uns schon seit unserer Ankunft am Flughafen sehr locker und freundlich betreut haben (abends sitzt immer die ganze Belegschaft mit Kind und Kegel auf der Tribüne), haben versichert, dass es ganz ungezwungen zugehen wird.
Während sich die Mannschaft also heute dem "dolce-far-niente" hingeben kann (dass es doch ein bisschen anders ist, hat Hupe in seinen heutigen Tagesnotizen schon berichtet), muß ein anderer Deutscher "ran".
Unserem Schiedsrichter Christian Blasch wurde die Leitung des heutigen Spitzenspiels Korea - Australien übertragen. Hier fällt eine Vorentscheidung über die Finalteilnahme. Es ist kein Zufall, dass Christian, der sein erstes großes internationales Turnier pfeifen darf, für dieses Spiel ausgewählt wurde. Er macht hier, wie in der Bundesliga daheim, einen in jeder Hinsicht herausragenden Eindruck. Er besticht schon durch seine schiere Länge, glatte 2 Meter, die sich unmittelbar in Größe umzusetzen scheint. Das ist auch das Urteil, dass die hier anwesenden Nationalspieler unisono über Christian abgeben. Absolut die Nummer 1 in der Bundesliga und das aus zwei Gründen. Man hat das Gefühl, dass er das Spiel versteht und man kann mit ihm jederzeit (natürlich nicht während des Spiels reden). Er ist Sportkamerad im guten Sinne des Wortes.
Kein Wunder, mit vielen der Spieler ist er von kleinauf als Hockeyspieler groß geworden. Seine Jugendmannschaft von Uhlenhorst Mülheim gehörte zu den besten ihres Jahrgangs in Deutschland (ach!), Patrick Bellenbaum, Tobias Schmidt waren so sein Jahrgang. Vier deutsche Meistertitel hat er mit den Uhlen errungen. Bei den Turnieren war er, wie er selbst sagt, "immer der Doofe, der pfeifen musste" und eines Tages wurde er mit 17 zu einem von Christian Siebrecht geleiteten Schiri-Lehrgang geschickt. Und da war es um ihn geschehen. Christian S. erkannte sofort Christian B.s Talent, verpasste ihm die Oberliga-Lizenz und von nun an ging's bergauf. Seit neun Jahren ist der 26jährige Diplom-Betriebswirt, der in der Lederbranche arbeitet, nun schon "an der Pfeife", seit vier Jahren in der Bundesliga. Ungefähr 120 Bundesligaspiele, ca. 25 Länderspiele hat er inzwischen absolviert, bei den letzten beiden DM-Finalspielen war er der souveräne Leiter. Er ist Sportler durch und durch, läuft jeden Tag und bringt es gut und gern auf 40 bis 50 km in der Woche.
Warum Schiedsrichter, habe ich ihn gefragt, und nicht Bundesliga als Spieler (hier hat es es auf ein Spiel gebracht, nach Protesten gegnerischer Trainerinnen hat er diese Karriere beendet und "fristet" seitdem in der Oberliga mit der Zweiten von Uhlenhorst Mülheim sein Dasein. Dieses aber, so es die Pfeiferei zulässt, regelmäßig. Aber auch hier kann man ja, und auch das hat er geschafft, Deutscher Meister werden). Warum also Schiedsrichter? Er sieht die allwöchentliche Herausforderung als Reiz, die Möglichkeit, dauerhaft eine Verbindung zum Hockey zu schaffen und zu erhalten, die alten "Spielkameraden" wiederzutreffen, aber auch den sportlichen Reiz, ein hohes Ziel, z. B. eine Olympiateilnahme zu schaffen.

Die Chancen stehen nicht schlecht. Ich habe den Umpires Manager des hiesigen Turniers, den Schotten Craig Madden, nach seiner Meinung über Christians Leistung befragt und er antwortete mit Lob in den höchsten Tönen: "Ich habe Christian das erste Mal auf einem internationalen Turnier gesehen. Er ist ein excellenter Schiedsrichter. Man merkt, dass er das Spiel verstanden hat. Er ist Herr der Situation und wird dem Spiel gerecht. Ich wollte sehen, ob er in der Lage ist, ein enges Spiel zu leiten und habe ihn für das Spiel Indien - Pakistan angesetzt. Er hat es hervorragend geleitet. Ich prophezeihe ihm eine große Karriere, die bis nach Olympia führen kann." Wer gesehen hat, wie Christian diesen Hockeyklassiker vor 9.000 Zuschauer und ungefähr gleich starken indischen und pakistanischen Lagern geleitet hat, der wird dem zustimmen. Wunderbar, wie die beiden Schiedsrichter das Spiel laufen ließen und es trotzdem zu keinerlei Entgleisungen kam. Es wurde zu einem der attraktivsten Hockeyspiele mit ganz knappen Ausgang (4:3) und neben den Pakis zwei weiteren Siegern, den beiden Schiedsrichtern Clive McMurray (Südafrika) und Christian Blasch.

Nur eines hoffen wir nicht für Christian: dass er in nächster Zeit die Endspiele bei großen Turnieren mit deutscher Beteiligung pfeifen darf.

HockeyHerzlichst
Dieter Schuermann (Teammanager)

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