Hockey Nachrichten

Mit Stolz geschwellter Brust nach Hause

DHB-Präsident Stephan Abel im Interview zum Peking-Abschneiden

 

25.08.2008 - Die Stimme angekratzt, der Körper von mancher Klimaanlage geschwächt, aber letztlich ein überglücklicher DHB-Präsident – stimmt dieses Bild am Turnierende?

Abel: Das kann man so sagen. Jetzt der Olympiasieg der Herren, zuvor Weltmeistertitel in Feld und Halle für diese Mannschaft, dazu die Europameisterschaft der Damen. Auf seine Nationalmannschaften und ihre Titel kann man nur stolz sein und sich glücklich schätzen. Man fühlt sich auch ein wenig belohnt für den geleisteten Einsatz.

Wie haben Sie den Triumph der deutschen Herren erlebt?

Abel: Spätestens das Halbfinale und anschließend das Endspiel haben gezeigt, was in dieser Mannschaft steckt. Die Dramatik des Halbfinals, einen Rückstand kurz vor Schluss noch auszugleichen und dann das Siebenmeterschießen zu gewinnen, das hat etwas mit unglaublichem Siegeswillen und Leidenschaft zu tun. Nicht anders im Finale, als man eine frühe 1:0-Führung gegen eine Mannschaft, die spielerisch mindestens gleichwertig ist, so sicher nach hause spielt, weil man in allen Mannschaftsteilen, vor allem aber in der Defensive, Wirkungsvolles entgegenzusetzen hat. Das war optimal, besser kann es eigentlich nicht laufen. Ich freue mich unheimlich für die Jungs. Sie haben es völlig verdient. Die Mannschaft hatte nach der EM 2007 eine wirklich schwere Zeit hinter sich gebracht, ich durfte sie glücklicherweise sowohl bei der Champions Trophy in Malaysia als auch beim Olympia-Qualifikationsturnier in Japan begleiten. Und dort wurde mir schon bewusst, dass diese Truppe einfach das Potenzial für einen ganz großen Erfolg in Peking hat. Hier hat man deutlich gesehen, dass man als Kollektiv gewinnt. Und man kann nur gewinnen, wenn hinten eine stabile Abwehr vorhanden ist. Timo Weß hat im Finale ein geniales Spiel gemacht, Tibor Weißenborn ist im Mittelfeld in mehreren Spielen über sich hinaus gewachsen. Solche begnadeten Spieler reißen auch alle anderen mit zu einer grandiosen Mannschaftsleistung.

Und Ihre Einschätzung zu den Damen?

Abel: Ich finde, sie haben ein ganz tolles Turnier gespielt. Das Halbfinale gegen China war in meinen Augen ein gutes Hockeyspiel und von unserer Seite nicht so schlecht, wie es von manchem beurteilt wurde. Uns fehlte ein wenig das Glück, denn von den Chancen her hätten wir das genauso gut gewinnen können und wären dann im Finale gewesen. Ein Spiel um Platz 3 ist immer schwierig, für alle Mannschaften. Leider konnten die meisten unserer Spielerinnen hier nicht mehr das realisieren, was sie eigentlich können. Und das wird auf solch einem Niveau eben bestraft. Die Argentinierinnen haben dieses Spiel verdient gewonnen, obwohl es fast noch zu unseren Gunsten gekippt wäre. Es tut mir Leid für die Mädchen, denn sie haben mit Sicherheit genauso viel Einsatz und Leidenschaft gezeigt wie die Jungs. Manchmal wird das halt belohnt und manchmal nicht.

Ihre Gesamtbilanz?

Abel: Ich finde, dass wir mit zwei Halbfinalteilnahmen und am Ende Platz eins und vier mit ganz breiter Brust aus Peking wegfahren können. Wir haben unterstrichen, dass wir nach wie vor der erfolgreichste Ballsportverband in der Bundesrepublik Deutschland sind. Darauf können wir stolz sein.

Je mehr andere deutsche Sportler und Teams in Peking im Kampf um Medaillen scheiterten, desto mehr stieg das Interesse von Medien und Sportfunktionären an den beiden bis zum Schluss im Titelkampf verbliebenen deutschen Hockeyteams.

Abel: Das tut unserem Sport natürlich gut. Ich denke, dass die mediale Begleitung, vor allem durch das Fernsehen, dazu führt, dass immer mehr Leute begreifen, was für einen toller Sport das ist, und dass hoffentlich viele Eltern ihre Kinder zum Hockey schicken werden. Ich glaube, dass Hockey eine ganze Reihe an Wünschenswertem verkörpert: Teamgeist, soziale Kompetenz, eine Kampfsport, ohne unfair zu sein, ein körperloses Spiel, ein total attraktiver Sport, der weltweit für beide Geschlechter betrieben wird. Hockey hat mit diesen Olympischen Spielen einmal mehr gezeigt, dass dieser Sport unbedingt im olympischen Programm dabei bleiben muss.

Jetzt erreicht Sie als Präsident sicher gleich wieder der berühmte Satz: „Aus diesem Erfolg muss der DHB unbedingt etwas machen.“ Was hat er denn vor?

Abel: Die aktuelle Euphorie werden wir zu nutzen versuchen. Die Breitenwirkung kann nur erzielt werden, wenn wir wie jetzt in den Massenmedien präsent sind. Man muss aber sicherlich begreifen, dass Erfolg immer nur sehr kurzfristig währt und in der breiten Öffentlichkeit präsent ist. Natürlich sind unsere Erfolge für Sponsoren von großem Interesse. Wir werden in den nächsten Wochen mit unseren jetzigen und neuen Partnern Gespräche führen, um den Hockeybund weiterhin auf eine solide finanzielle Basis zu stellen. Das wird uns helfen, die Jugendarbeit weiter zu verbessern und letztlich unsere Konzepte in der Trainerarbeit als auch in der Entwicklung unseres Sports weiter durchsetzen zu können. Um uns in den Medien und bei potenziellen Sponsoren weiterhin im Gespräch zu halten und das Interesse an Hockey weiter wachsen zu lassen, müssen wir uns selbst möglichst professionell verhalten.

Sind denn größere Aktionen und Feierlichkeiten mit den Olympiasiegern geplant?

Abel: Zunächst einmal gibt es heute (Montag) Nachmittag den Empfang für Verwandte, Freunde und Fans am Frankfurter Flughafen. Anschließend sind in den einzelnen Clubs größere Empfänge geplant. Ich weiß zumindest von meinem Club Rot-Weiss Köln, dass es am Montagabend ein riesiges Fest geben wird. Dann werden wir die Mannschaften möglichst schnell noch einmal zusammenführen, nachdem allen Beteiligten ein wenig Zeit gegeben wird, nach diesen intensiven Wochen einfach mal ein paar Tage auszuspannen. Wir werden am 5./6. September unsere nächste Präsidiumssitzung abhalten und weitere Maßnahmen besprechen.

Man hörte, dass es einen neuen hauptamtlichen Posten beim DHB geben wird. Um was geht es?

Abel: Wir haben bei den letzten Zielvereinbarungsgesprächen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund eine zusätzliche Stelle genehmigt bekommen, die eines Trainerkoordinators. Es ist wohl kein Geheimnis, dass uns alle anderen Nationen um unsere Trainerarbeit und unser Trainerkollektiv beneiden. Wenn es uns gelingt, diese Arbeit durch einen hauptamtlichen Koordinator weiter zu verbessern, stehen die Chancen gut, dass wir auch in Zukunft Erfolge einfahren können und weiterhin die erfolgreichste Ballsportart in Deutschland sind.

Wer soll die Stelle besetzen, gibt es schon Namen?

Abel: Wir haben gewissen Vorstellungen, wer diesen Posten einnehmen könnte. Aber die Stelle wird zunächst einmal öffentlich ausgeschrieben. Wir haben ein Anforderungsprofil erstellt, das jetzt nach den Olympischen Spielen veröffentlicht wird. Wir werden die Sache möglichst zügig entscheiden, um sicherzustellen, dass unsere Arbeit kontinuierlich fortgesetzt werden kann.

Uli Meyer

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