Hockey Nachrichten

 

In einer eigenen kleinen aber feinen Rubrik beleuchtet Claas Henkel, in Hockey-Deutschland bekannt als Bundesligatrainer beim UHC Hamburg und zuvor Münchner SC, aber eigentlich gelernter Journalist, Themen rund um den Hockeysport in Zusammenarbeit mit der hockey.de-Redaktion. Der 35-jährige Familienvater lädt in der "SprechZeit" immer unterschiedliche Gesprächspartner ein, um in lockerer Form zu plaudern und dabei ihre Meinung, Ideen oder Geschichten zu erfahren.

 

Viel Spaß mit dieser Kolumne!

 

 

 

"Wir sind keine Nachmacher, sondern Vorbilder!"

SprechZeit 8: Mit DHB-Präsident Stephan Abel und Vizepräsident Wolfgang Hillmann

 

09.05.2015 - Nach zehn Jahren im Amt des DHB-Präsidenten übergibt Stephan Abel beim kommenden Bundestag das Zepter an Wolfgang Hillmann. Im Gespräch mit Claas Henkel werfen beide einen Blick zurück auf die Ära Abel, sprechen über kommende Aufgaben und Ziele und erklären, wie die im Präsidium vorbereitete Amtsübergabe mit der demokratischen und föderalen Struktur des DHB zusammenpasst.

Claas: Beim Bundestag in Heilbronn geht die zehnjährige Amtszeit von Stephan als DHB-Präsident und damit eine Ära zu Ende. Wolfgang, welche Überschrift würdest du dieser Zeit und Stephans Wirken geben? 

Wolfgang: Sportlich extrem erfolgreich. Etliche Top Events, die in Europa und der Welt einen neuen Standard in Sachen Veranstaltungskultur gesetzt haben. Und eine absolute Stärkung der internationalen Position des Deutschen Hockeys.

Claas: Nach dem Blick in die Vergangenheit nun der in die Zukunft. Stephan, wie wirst du in zehn Jahren die Amtszeit von Wolfgang überschreiben?

Stephan: Ich glaube, der Verband ist mittlerweile sehr gut aufgestellt. Wir haben die höchsten Sponsoreneinnahmen aller Zeiten. Wir haben unsere Geschäftsstelle neu aufgestellt, unsere Struktur erheblich verändert. Wir haben eine Satzung, die dem entspricht, was wir leben. Wir sind national wie international einer der anerkanntesten Sportverbände. Gerade jetzt in meiner neuen Position erlebe ich immer wieder, welche enorme Hochachtung die Leute vor dem Hockeybund haben. Manchmal ist dies einem fast ein bisschen unheimlich. Ich bin mir sicher, dass jemand, der so lange in diesem Geschäft ist wie der Friese (Anm. d. Red.: Spitzname von Wolfgang Hillmann), erfolgreich auf dieser exzellenten Basis aufbauen und einige Dinge weiterentwickeln wird. Die sportlichen Erfolge kann man zwar nicht programmieren, ich sehe uns aber besonders im leistungssportlichen Jugendbereich für die Zukunft gut aufgestellt. Ich glaube daher, dass Wolfgang vor einer ähnlich guten Zeit steht, wie ich sie hinter mir habe.

Claas: Wolfgang, was sind denn die drängendsten Baustellen und Aufgaben zum Start deiner Amtszeit?

Wolfgang: Oh, da gibt es einiges: Die Strukturänderungen mit einem starken Schwerpunkt Sportentwicklung weiter voranbringen. Die Bundesligen stärken und weiterentwickeln. Den Bereich des Schiedsrichterwesens verbessern und zu mehr Anerkennung verhelfen. Dann das Dauerthema Trainer inklusive Trainerausbildung, -entwicklung und -scouting. Darüber hinaus brauchen wir aber nicht nur die für Leistungssport ausgerichteten Trainerinnen und Trainer, wir brauchen für alle unsere Ebenen Personen, Funktionäre und Mitmacher. Wir müssen über Projekte aus dem Verband und aus den Vereinen das Wachstum im Jugendbereich in ein breites Angebot im Erwachsenenbereich bringen. Wir sind uns, denke ich, alle einig, dass speziell in diesem Bereich noch einiges geht. Hinzu kommen neue Aufgaben und Herausforderungen wie der Umgang mit den neuen Biographien. Wir erleben einen immer früheren Studien- und Berufsbeginn und daraus resultierend eine immer kürzere Verweildauer im Spitzensport. Außerdem wollen wir den Anforderungen und Möglichkeiten der neuen Medien gerecht werden und mit und für unsere Mitglieder neue Impulse setzen. Immer mit dem Anspruch: Wir sind keine Nachmacher sondern Vorbilder.

Claas: Wo siehst du Handlungsbedarf in unserer internationalen Aufstellung? Wolfgang: Ganz klar im Bereich Jugend. Wir haben eine Kompetenz im Jugendhockey. Die beiden internationalen Verbände, denen wir angehören, haben sie nicht - oder nur in geringem Maße.

Stephan: Das Schlimme ist: Sie machen einfach nichts für die Jugend. Das Thema findet schlichtweg keine Erwähnung. FIH und EHF sind sich der Bedeutung dieses Themas nicht bewusst. Da kann sich der FIH-Präsident tausendmal hinstellen und sagen, er will, dass in 480 Ländern der Welt Hockey gespielt wird. Wenn du die Jugend nicht entwickelst, entwickelt sich nichts. Nun sind Wolfgang und ich in etlichen Gremien und Sitzungen des Welthockeys unterwegs. Wenn wir dort das Thema Jugendhockey ansprechen, schauen uns die anderen Teilnehmer an wie Außerirdische.

Wolfgang: Wir wissen um unsere Stärken auf diesem Gebiet. Wir müssen es schaffen, dass die Entwicklung der Jugend konzentriert von den internationalen Verbänden für einen klar definierten Zeitraum - von mir aus bis Tokio - in den Fokus genommen wird. Wäre das bereits geschehen, wäre es nicht zu der einen oder anderen komischen Entscheidung gekommen.

Claas: Du spielst auf das Thema Hockey-5 in der Halle an?

Wolfgang: Genau. Hätte wir das im Jugendbereich getestet, wären wir sicher zu ganz anderen Ergebnissen und darüber zu einem anderen Einstieg gelangt. 

Stephan: Auch wenn der öffentliche Blick sehr an Nationalmannschaften und den Topteams der Bundesliga hängt, dürfen gerade wir nicht vergessen, wo die Grambuschs und Herzbruchs dieser Welt herkommen. Aus der Jugend, aus den Vereinen. Uns ist es zum Glück in der Vergangenheit immer wieder gelungen, Topspielerinnen und -spieler und gute Trainerinnen und Trainer im Jugendbereich zu entwickeln.

Claas: Eine weitere Folge der FIH-Politik ist die internationale Terminhatz. Ist es unter diesen Umständen überhaupt noch möglich den "deutschen Weg" weiterzugehen, Hockey und vor allem die Jugend über Feld- und Hallenhockey voranzutreiben?

Wolfgang: Eine schwierige Frage. Wir wissen, dass unsere Topspielerinnen und -spieler, dass unsere Clubs Hallen- und Feldhockey spielen wollen. Die Spieler und Clubs wissen, dass wir eine weitere Ausdehnung der Ligatermine ohnehin nicht stemmen können und dass uns selbst die bestehenden Formate bei zunehmenden internationalen Verpflichtungen an die Grenze des Machbaren bringen. Wir haben vielleicht irgendwann die Entscheidung zu treffen, ob wir in allen Jahren unseren dualen Weg fahren können oder ob wir in einigen Jahren die Hallenzeit nicht für andere Dinge besser nutzen können. Das Gebot der Stunde ist daher keine großen Pläne zu machen, sondern entscheidungsstark auf die Erfordernisse zu reagieren, um den Anforderungen aus dem olympischen Bereich möglicherweise auch aus dem DOSB folgen zu können.

Stephan: Völlig richtig. Wir brauchen eine große Flexibilität. Wir als Dachverband verstehen uns als Dienstleister unserer Mitglieder. Dazu gehört auch die Aufgabe, Terminpläne zu entwickeln, die den Schutz der Athleten genauso berücksichtigen wie eine konsequente Durchführung unserer Meisterschaften. Ein Punkt den ich mir während meiner Amtszeit gerne auf die Fahne geschrieben hätte, wäre eine Vereinheitlichung der Bundesligatermine gewesen. In Holland werden sonntags 15:00 Uhr die Spiele der Hofdklasse angepfiffen. Da gibt es kein Kinder- oder Jugendspiel. Alle Kinder und Eltern sind am Platz. Wenn dies bei uns gelänge, hätten wir einen professionellen Standard erreicht. Jeder - auch die Sportberichterstatter - wüsste Bescheid und könnte sagen: Sonntags um drei ist Hockey. Ich weiß sehr wohl um die Schwierigkeiten dabei. Die größeren Distanzen beispielsweise. Es würde viele Dinge verändern, aber eben auch vereinfachen.

Wolfgang: Auch im Clubleben.

Stephan: Na klar. Für mich war es seinerzeit schmerzhaft zu sehen, dass zwei Wochen nach Peking 14 Olympiasieger im UHC beim Bundesligaspiel UHC gegen Rot Weiss Köln spielen und nur 118 Leute zuschauen. In jedem anderen Land würden die Kinder und Jugendlichen den Goldjungs hinterherlaufen. Bei uns geht es gar nicht, weil alle Kindermannschaften an dem Wochenende unterwegs sind. Da läuft doch etwas falsch. Wir kommen aber bei diesen Themen nur weiter, wenn wir als Verband und die Vereine gemeinsam das Große und Ganze im Blick haben. Doch dazu müssen sich bei vielen Fragen erst einmal die Vereine einig sein. Im Zuge der Strukturreformen ist mit der BLVV ein sehr wichtiges Gremium entstanden. Dieses Gremium spiegelt aber die ganze Heterogenität der Vereinslandschaft wider. Wie viele Vereine haben denn eine Lautsprecheranlage oder eine funktionierende PR und damit einen guten Draht zur regionalen Presse oder andere Mindeststandards? Solange wir diese Mindeststandards nicht haben, sind wir vom großen Wurf wie einer einheitlichen Anstoßzeit noch sehr weit entfernt. Es gibt noch eine Menge für Wolfgang zu tun.

Wolfgang: Das weiß ich wohl.

Claas: Welche Zielsetzung hat der DHB denn was die reine Anzahl der Vereine und Mitglieder angeht und in welchen Regionen seht ihr das größte Wachstumspotenzial?

Wolfgang: Was die Anzahl von neugegründeten Vereinen angeht, warne ich vor zu hohen und damit falschen Erwartungen. Wir müssen vielmehr genauer hinschauen, dass sich die bestehenden Hockeyregionen und -vereine positiv entwickeln. Da gibt es sicherlich einen Trend: Große Vereine werden noch größer, kleine Vereine werden zu mittleren Vereinen. 1-Kunstrasen-Vereine werden zu 2-Kunstrasen-Vereine usw. Der damit verbundene Effekt ist, dass wir uns im Kinderbereich einer notwendigen allgemeinen Sportspielzielsetzung zuwenden müssen. Wir dürfen nicht nur denken, wir haben die Kinder einmal und behalten sie einfach. Wir brauchen die Kinder nicht nur für Hockey. Wir brauchen sie als Jugendliche und Heranwachsende und später als Erwachsene, die das Clubleben gestalten und die viel beschworene Hockeyfamilie leben. Wenn wir es schaffen, unsere Atmosphäre - die Werteatmosphäre, die soziale Atmosphäre - nach außen zu stellen, werden wir Gewinner sein. Da liegt unser Potenzial.

Claas: Ist dieser mutmaßlich harmonische Übergang von einem zum anderen DHB-Präsidenten ein Zeichen für Nachhaltigkeit im Verband und Homogenität der Hockeyfamilie oder doch eher für ein Demokratiedefizit im föderalen Verbandssystem?

Stephan: Ein Demokratiedefizit kann es eigentlich nicht sein. Wenn man Demokratie als Konfliktschaffer definiert, wäre es vielleicht so. Wir haben nach meiner Wahl im DOSB mit jedem Präsidiumsmitglied gesprochen und haben gefragt, ob sie ihre Aufgabe auch unter anderen Umständen weiterführen. Das haben alle zugesagt. Das liegt aber auch daran, dass wir uns die ganzen zehn Jahre stets gut auf unsere Hauptziele und -aufgaben verständigt haben. Dass wir dafür, einer Meinung zu sein, mitunter angefeindet wurden, liegt in der Natur der Sache und ist eben so. Nur liegt eben auch in der Natur der Sache, dass diejenigen, die Kritik schnell bei der Hand haben, oft nicht die sind, die das Engagement zeigen, welches wir seit Jahren liefern. Insofern denke ich, dass in dieser föderalen Struktur natürlich eine Stärke liegt. Vor zehn Jahren habe ich mit Landesverbandspräsidenten zu tun gehabt, die waren anders - sehr anders. Heute ist die Mehrzahl dieser Leute jünger. Sie haben inzwischen in ihrem jeweiligen Landesverband mit ganz anderen Dingen zu tun. Natürlich setzen wir uns auch kritisch auseinander - auch mit den Vereinen. Aber grundsätzlich haben wir bewiesen, dass wir schlüssige Argumente und Zielsetzungen haben. Dem kann sich ein intelligenter Mensch eigentlich nicht verschließen. Despoten können wir nicht gebrauchen.

Wolfgang: Die Landesverbände sind für uns extrem wichtig. Wir haben sie zu Mannschaftsmitgliedern gemacht. Natürlich erwarten wir als Mannschaftsführer wie in jeder Mannschaft klare Ansagen von und an jedes Mannschaftsmitglied. Wenn die Mannschaft eine Zielsetzung hat, unterschreiben ja auch nicht fünf oder sechs sondern alle. Und dann stehen auch alle für diese Ziele ein. Diesen Weg haben wir begonnen, haben uns so beispielsweise die Mehrheiten für die Strukturveränderungen besorgt, und werden ihn auch weiterhin gehen. 

Stephan: So haben wir es immer gehalten. Alle Erfolge der letzten zehn Jahre sind für jeden im Team auf ganz natürliche Art und Weise Teamerfolge. 

Claas: Ich danke Euch für das Gespräch.

 

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16. April 2024
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