Schiedsrichter News

 

Als Schiedsrichter gestalte ich das Spiel selber aktiv mit

Interview mit DHB-Jugendschiedsrichterreferentin Gabriele Schmitz über den weiblichen Schiedsrichternachwuchs

 

10.08.2014 – In der ersten Jahreshälfte rief der Deutsche Hockey-Bund mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein Förderprogramm für weibliche Schiedsrichter ins Leben. 15 Jugendliche signalisierten daraufhin Interesse am Job mit der Pfeife. Gabriele Schmitz, Jugendschiedsrichterreferentin im DHB, spricht im Interview mit hockey.de über die Motivation, Schiedsrichter zu werden, die Rolle der Vereine und über die Erwartungen, die an einen Schiedsrichter gestellt werden.


Im Frühsommer hast Du unter dem Motto „Talentcoaching für Frauenpower“ ein Förderprogramm für weiblichen Schiedsrichternachwuchs initiiert. Wie schaut es denn aktuell überhaupt aus mit dem deutschen Schiedsrichternachwuchs?

Schmitz: Seit zwei, drei, vier Jahren haben wir relativ konstant ausreichend Schiedsrichter. Durch die föderale Struktur in Deutschland haben wir in den Landesverbände aber leider unterschiedliche Ausbildungsniveaus. Da gibt es qualitative und quantitative Unterschiede. Das geht sogar soweit, dass einzelne Verbände nicht einmal einen Schiedsrichter-Obmann haben. Nach dem Aufruf wurde deutlich, dass zwar das Interesse bei Jugendlichen besteht, aber auf Landesebende teilweise verantwortliche Organisatoren für eine fundierte Ausbildung fehlen. Es gibt aber auch bestimmt eine Handvoll Landesverbände, bei denen das sehr gut klappt.


Aber was kann für Kinder und Jugendliche überhaupt Anreiz sein, Schiedsrichter zu werden? Sie kriegen doch bereits von Eltern, Zuschauern und sogar Trainern zu hören, dass der Schiri immer der Buhmann sei?

Schmitz: Ich sehe das so: Als Schiedsrichter hat man die Chance, ein Spiel selber attraktiv mitzugestalten. Dabei finde ich es wichtig, dass man nicht Schiedsrichter wird, um Macht auszuüben, sondern dass man danach strebt, das Spiel selber positiv zu beeinflussen. Das war auch eine meiner Motivationen, Schiedsrichter zu werden. Das mit dem Buhmann kann manchmal richtig sein, auf der anderen Seite erfährt man aber auch sehr viel Dankbarkeit und Respekt. Interessant ist an dieser Stelle, dass es häufig auch kleine Vereine sind, die sich in der Schiedsrichterausbildung hervortun. Die sind viel sensibler dafür, dass man mit einem guten Schiedsrichter eventuell eher einen Schritt auf die große Hockeybühne machen kann, als mit einer Meisterschaft, was viel, viel schwieriger ist.


Jetzt hast Du die Vereine angesprochen. Welche Rolle spielen die Hockeyclubs dabei, Jugendliche zum Pfeifen zu motivieren?

Schmitz: Die Vereine sind natürlich sehr wichtig. Sie sehen, wer gerne und häufig pfeift – das sind Indikatoren dafür, dass derjenige Lust am Pfeifen hat. Diese Leute kann man dann beim Verband anmelden. Wenn sich dort keiner zuständig fühlt, sollte man sich an den DHB wenden. Für alle unter 25 bin ich die Ansprechpartnerin. Über 25 wird es zwar schwieriger, aber melden kann man sich immer. Allerdings gilt auch, dass der DHB den Clubs eigentlich keine Angebote machen kann, sondern Ansprechpartner die Landesverbände sind. Die sollen Kontakt für die Clubs sein und die Erstausbildung von Schiedsrichtern machen. Es ist ein Zeitthema, dass wir beim DHB einfach nicht mehr leisten können. Gleichzeitig gibt es aber zu wenige Interessenten, als dass wir dem keine Beachtung schenken können. Wer also pfeifen möchte, bei sich im Verband aber keinen Ansprechpartner findet, kann sich gerne an mich wenden.

 

Was macht denn einen guten Schiedsrichter aus? Alleine regelkundig zu sein reicht doch bestimmt nicht, oder?

Schmitz: Ein guter Schiedsrichter drängt sich nicht selber nach vorne. Er muss begreifen, dass die, die mit der Kugel spielen, im Vordergrund stehen. Zu seinen Eigenschaften muss auch der Grundsatz „Hart aber gerecht“ zählen. Zudem braucht ein guter Schiedsrichter Empathie, Kommunikationsfähigkeit und Freundlichkeit, muss gegenüber Spielern gegebenenfalls aber auch streng auftreten. Ein Schiedsrichter muss auf Fragen wie ,Verstehe ich, was auf dem Platz passiert?' oder ,War das absichtlich oder ist der Spieler einfach nur weggerutscht?' eine Antwort parat haben. Natürlich ist dafür auch das gewisse Händchen nötig. Was die Regelkunde angeht, ist es ein bisschen wie Autofahren: Ich sollte die Regeln schon kennen. Nur Gas geben und Bremsen reicht nicht. So ähnlich ist es bei Hockeyschiedsrichtern auch. Kenne ich die Regeln, nehmen mich die Spieler natürlich auch ernst. Aber das ist eher das kleinste Problem. Vielmehr sollten Schiedsrichter ein Hockeyspiel auch vernünftig leiten können, ohne aus der Puste zu kommen. Wenn ich Spiele von Mannschaften pfeife, die vier- bis fünfmal die Woche trainieren, muss auch ich selber fit sein – es geht ja auch um die eigene Reputation.


Zurück zum Förderprogramm des DHB für Nachwuchsschiedsrichterinnen. Warum müssen gerade weibliche Schiedsrichter besonders gefördert werden?

Schmitz: Weil es davon zu wenig gibt! Das hat mit der weiblichen Art, generell mit Sachen umzugehen, zu tun. Ein Mann stellt sich eher auf den Platz und sagt, wo’s langgeht. Das gibt‘s ja auch in einzelnen Berufen. Und generell haben wir natürlich auch weniger hockeyspielende Mädels.


Wie sieht dieser Förderkader aus und welche Inhalte hat er?

Schmitz: Wir haben 15 Mädchen nur durch diesen Internetaufruf erreicht, das ist schon mal eine positive Resonanz. Sie sind zwischen 15 und 25 Jahren alt, hauptsächlich aber deutlich unter 20. Ich werde mir angucken, auf welchem Niveau die Mädchen sind. Wir werden uns erst einmal auch damit befassen, was es überhaupt heißt, Schiedsrichter zu sein. Wovor habe ich Angst? Was kann ich schlecht, was gut? Wir wollen erst einmal ein Gefühl dafür bekommen, wie ich mich da auf dem Platz fühle. Dann werde ich natürlich über Regeln sprechen, damit wir da auf einem Nenner sind. Als nächstes werden wir viel bei Turnieren pfeifen und uns daneben angucken, wie die Körpersprache ist. Mein Ziel wäre es, von diesen 15 sechs bis acht in die Bundesliga zu entsenden. Und wenn daraus dann drei internationale Schiedsrichterinnen kämen, wäre das top!

 

Wie können sich interessierte Mädchen über das DHB-Nachwuchsschiedsrichterprogramm informieren und wie kann man Euch erreichen?

Schmitz: Wir haben im Frühjahr eine Facebook-Seite für DHB-Jugendschiedsrichter gestartet und informieren auch auf hockey.de. Wer direkt an mich eine Frage hat, erreicht mich auch über meine E-Mail-Adresse.


Wie viel Zeit muss ein Jugendlicher überhaupt in die Ausbildung zum Schiedsrichter investieren und welche Perspektiven hat er dann?

Schmitz: Wenn wir die Schiedsrichter von den Landesverbänden bekommen, wo sie bereits viel gepfiffen haben und gefördert werden, bleiben sie mindestens zwei Jahre im DHB-Nachwuchskader. Das kommt auch auf Alter und Talent an. Es gibt Leute, die können das in drei Jahren schaffen, im Normalfall vergehen aber fünf bis sechs Jahre vom Anfang bis zum Bundesligaschiedsrichter. Wenn sich der Schiedsrichter in der Bundesliga entsprechend präsentiert, dort positives Feedback bekommt und Erfahrungen gesammelt hat, kann er beim internationalen Verband gemeldet werden. Der lädt einen dann zu internationalen Turnieren ein.


Zum Schluss noch mal eine persönliche Frage an Deine Erfahrung: Ist es schwerer, Bundesligaspiele zu pfeifen oder Spiele der unteren Ligen?

Schmitz: Ich persönlich finde es eindeutig schwerer, Bundesliga zu pfeifen. Das wird aber ganz, ganz unterschiedlich empfunden. Es gibt Schiedsrichter, die können bei einer Weltmeisterschaft pfeifen, aber nicht mehr in der Damen-Oberliga. Weil sie nicht mehr differenzieren können.


Danke für das Gespräch.

» zur Facebook-Seite der DHB-Jugendschiedsrichter

 

 
16. April 2024
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