Hockey Nachrichten

 

In einer eigenen kleinen aber feinen Rubrik beleuchtet Claas Henkel, in Hockey-Deutschland bekannt als Bundesligatrainer beim UHC Hamburg und zuvor Münchner SC, aber eigentlich gelernter Journalist, Themen rund um den Hockeysport in Zusammenarbeit mit der hockey.de-Redaktion. Der 35-jährige Familienvater lädt in der "SprechZeit" immer unterschiedliche Gesprächspartner ein, um in lockerer Form zu plaudern und dabei ihre Meinung, Ideen oder Geschichten zu erfahren.

 

Viel Spaß mit dieser Kolumne!

 

 

 

Von der Strahlkraft eines Top-Events und der Hoffnung auf dauerhafte Unterstützung

SprechZeit 6: Mit Hallen-WM-Organisator Falk Jänicke und ATV-Trainer Axel Thieme

 

13.11.2014 - Zum 25. Mal jährt sich dieser Tage der Mauerfall. Leipzig stand im Herbst 1989 im absoluten Blickpunkt des Geschehens, die schlussendlich zur Wiedervereinigung auch des deutschen Hockeys führten. Auch aus Hockeysicht war und ist Leipzig einer der Hotspots in Ostdeutschland und bietet damit einen würdigen Rahmen für die sechste SprechZeit. Drei Monate vor der Hallen-WM sprach Claas Henkel mit dem WM-Organisations-Chef Falk Jänicke und dem Trainer der Bundesligadamen des ATV-Leipzig Axel Thieme über den Verlauf der WM-Vorbereitung, den Hockeystandort Leipzig und die Entwicklung im ostdeutschen Hockey.

Claas: Falk, wie sieht das Leben des Cheforganisators einer Hallen-WM drei Monate vor dem Event aus?

Falk: Das Leben sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus. Wir sind wieder gut im Plan. Zwischenzeitlich hinkten wir hinterher, da sich einige Entscheidungswege vor allem zwischen Weltverband und DHB länger als gedacht darstellten. Inzwischen stehen wir aber da, wo wir stehen sollten. Nachdem nun das Starterfeld endlich steht, rollt die Kommunikation zu den teilnehmenden Verbänden an. Die Planungen mit den zuständigen Behörden bezüglich des Aufbaus in der Arena laufen. Der Kartenvorverkauf ist gestartet. Die Werbemaßnahmen kommen in Gang. Kurz um: Vorfreude und Zuversicht allen Orten. Wir sind ziemlich sicher, dass uns eine tolle Veranstaltung gelingen wird.

Claas: Was können die Zuschauer von der kommenden Veranstaltung erwarten?

Falk: Sie können vor allem eine Weltmeisterschaft erwarten. Das heißt, sie sehen die besten Hallenhockeyteams dieses Planeten, eine unheimlich dynamische Sportart und jede Menge spannender Spiele. Drumherum präsentieren wir alles, was zum Hockey gehört. Außerdem werden sich viele regionale Sponsoren in der WM-Arena vorstellen. Wir werden ein großes Kinderland haben. Und nochmal: Hallenhockey vom Feinsten.

Claas: Axel, du wirst das Event ganz nah dran erleben.

Axel: Ja. Für mich als Local-Trainer ist die WM natürlich eine gute Möglichkeit, Einblicke in die Arbeit auf Topniveau zu bekommen. Jamilon Mülders hat sich – glaube ich – über meine Anfrage, bei ihm während des Turniers zu hospitieren, gefreut. Und so werde ich nun die Möglichkeit bekommen, die deutschen Damen während der WM zu begleiten und zu unterstützen. Ich habe als Bundesligatrainer ja bereits in der letzten Saison Erfahrungen mit Hockey5 gemacht und kann vielleicht das eine oder andere davon in die Arbeit im Staff einbringen.

Claas: Du sprichst Hockey5 an. Die FIH hat das Reglement ja noch mal gehörig verändert und, nach den Erfahrungen der letzten internationalen Turniere und den vor allem im Herrenbereich eher ungewollten Entwicklungen, nachgebessert. Das Stichwort Torwartwechsel sowie Überzahl- und Unterzahlspiel ist mir dabei natürlich vor allem im Kopf. Axel, was sind deine Erwartungen an die neue Hockey5-Variante?

Axel: Ich bin ein klarer Hockey6-Befürworter und habe daher keine großen sportlichen Erwartungen hinsichtlich dessen, was die neuen Regeln für die Attraktivität des Hockey5 bewirken können. Gerade für das Damenhockey wäre aus meiner Sicht Hockey6 deutlich besser. Ansonsten konnte ich die Entwicklungen der anderen Nationen im Hallenhockey in den vergangenen Jahren leider nicht verfolgen und bin einfach gespannt auf das technische und taktische Niveau der Teams.

Claas: Ich persönlich habe ja zumindest im Damenhockey eher gute Erfahrungen mit Hockey5 gemacht und glaube, dass die Reglementierung des Torwartwechsels Sinn macht. Vielleicht kehrt so die Dynamik des Spiels auch ins Herrenhallenhockey zurück. Aber da wir noch keine Vergleichswerte haben und in Deutschland zu Hockey6 zurückgekehrt sind, müssen wir uns wohl alle bis zur WM gedulden, um die Weiterentwicklung im Hockey5 zu begutachten. Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf.

Axel: Das sind wir alle. Claas: Die Hallen-WM 2015 ist bereits das vierte internationale Hockey-Top-Event in Leipzig. Was hat Leipzig, das andere Städte nicht haben? Was macht Leipzig zu einer Top-Location für große Hockeyfeste?

Falk: Wir haben vor allem eine Hand voll Verrückter, die bereit sind, über einen langen Zeitraum mit einer Vision vor Augen so ein Projekt anzuschieben und durchzuziehen. Diese Leute haben wir natürlich nicht exklusiv – das wäre sicherlich vermessen. Dennoch bin ich sehr stolz auf diese vielen taffen Ehrenamtler. Speziell an Leipzig ist sicherlich, dass wir hier eine Stadt und eine Verwaltung haben, die sich zu einem solchen Projekt klar bekennen und uns mit großem Aufwand unterstützen. Um das mal in Zahlen auszudrücken: Gut die Hälfte unseres WM-Etats bestreiten wir aus öffentlichen Mitteln. Für eine Randsportart, die sich gerade hier in der Region großer Konkurrenz erwehren muss, ist das ein erstaunlicher Erfolg.

Axel: Konkurrenz und Randsportart hin oder her. Man darf nicht außer Acht lassen, dass diese Region auch ein echtes Hockeyzentrum ist. Leipzig hat fünf Vereine und im Umkreis von 50 Kilometern gibt es zirka 15 weitere Clubs, deren Mitglieder zum Großteil das WM-Publikum bilden werden. Die Lust auf Hockey bei den Leuten ist riesengroß, gerade weil es trotz vieler Vereine hier nur wenig Tophockey auf dem Niveau der 1. Ligen und der Nationalmannschaft zu sehen gibt oder man dafür zumindest weit fahren müsste.

Falk: Das beweisen uns im Übrigen auch die Zahlen, die wir im Zuge eines Projekts mit der Uni Leipzig während der Hallen-EM 2012 erhoben haben. Damals haben wir 80 Prozent der Tickets in der Region Leipzig verkauft. Aus den klassischen Hockey-Hochburgen Hamburg, Westdeutschland, München und Berlin kamen damals nur etwa 15 Prozent der Zuschauer - weitere fünf Prozent aus den teilnehmenden Nachbarstaaten wie Polen und Tschechien. Zirka 40 Prozent der regionalen Zuschauer hatten einen direkten Bezug zum Hockey. Die anderen 60 Prozent waren Sportbegeisterte, die dem Ruf einer WM, also eines Spitzensport-Events, gefolgt sind. Diese Sportaffinität der Menschen erleben wir auch bei anderen Sportereignissen und sie spricht sicherlich auch für den Standort Leipzig.

Claas: Wenn ich das mal richtig zusammenfasse, haben wir hier erstens eine Stadt, die sich zum Spitzensport und speziell zum Hockey bekennt, zweitens einen Verein, der über die nötige Begeisterungsfähigkeit und Manpower verfügt, ein echtes Hockey-Mega-Event zu realisieren, und drittens ein Umfeld, das scheinbar für den Hockeysport zu begeistern ist. Das hört sich doch nach einer hervorragenden Grundlage für sportlichen Erfolg auch in den Vereinen an. Schaue ich mir dann allerdings die Teilnehmer der deutschen Jugendendrunden, die Vereine der Bundesligen oder die Kaderlisten des DHB an, finde ich nur sehr wenige Teams und Clubs aus Ostdeutschland. Eigentlich sind Axels Mädels – also die ATV-Damen – eine Art Leistungshockey-Leuchtturm für Ostdeutschland. Sehe ich das richtig? Und, wenn ja, warum geht die scheinbar gute Saat im Osten auch 25 Jahre nach dem Mauerfall auf dem Hockeyplatz nicht auf?

Falk: Die Einschätzung der sportlichen Situation überlasse ich natürlich dem Experten Axel. Ich denke aber, dass es viel mit den Rahmenbedingungen zu tun hat. Es ist einfacher, die Leute für so einen Event zu begeistern und in Form eines Projekts darauf hinzuarbeiten. Von einer Stadt Geld für einen Event solcher Strahlkraft zu bekommen, ist schlichtweg einfacher als eine dauerhafte Unterstützung zu erkämpfen. Außerdem sind die Sportvielfalt und damit die Konkurrenz zwischen den Sportarten in Leipzig gerade wegen der Sportbegeisterung der Menschen immens. Um die überschaubaren kommunalen Mittel wird heftig gerungen. Wenn es um nicht öffentliche Mittel, also kurz um Sponsoren geht, würde ich immer noch von einem Standortnachteil sprechen. Ohne darüber jammern zu wollen. Es ist einfach ein Fakt, dass uns ein klassischer breiter Mittelbau in der Wirtschaft fehlt, der den gesamten Sport auffängt. Trotz unserer tollen Unterstützer, einer Brauerei, der Sparkasse und nicht zuletzt auch Axels Arbeitgeber, ist für uns schon die Alltagsaufgabe einer neuen Kunstrasendecke schwierig zu stemmen. Und ich rede noch nicht mal von einem zweiten Kunstrasen oder einer eigenen Halle, die für eine sportliche Weiterentwicklung dringend gebraucht werden. In der Tat wird mir ein wenig mulmig, wenn ich an die Zeit nach der WM denke. Im Anschluss an die vergangenen Hockey-Topevents in Leipzig, hatte der ATV einen unglaublichen Zulauf an Kindern und Jugendlichen, auf den wir auch jetzt hoffen dürfen. Nur kannst du sie ohne gute Trainingsbedingungen einfach nicht nachhaltig an den Verein und die Sportart binden. Du schaffst es dann eben nicht, der Erwartungshaltung der Eltern und der Kinder gerecht zu werden, weil es an der Infrastruktur krankt.

Claas: Die Nachfrage ist da, der Platz um sie zu befriedigen nicht?

Falk: Der Platz ist nicht da und die Mittel sind nicht da.

Axel: Und daraus lässt sich nachhaltig wenig entwickeln. Bei den Trainingsmöglichkeiten, dem Equipment, kannst du als Ehrenamtler über Kreativität noch einiges rausholen. Aber wenn du keine oder nur ehrenamtliche Trainer hast, kommst du sportlich nicht weiter. Wir haben nicht die finanzielle Grundlage für einen hauptamtlichen Trainer, der hilft, die vorhandene Breite in die Spitze zu führen. Ein solcher Schritt wäre ein Quantensprung für uns.

Claas: Wie viele hauptamtliche Trainer gibt es insgesamt in Ostdeutschland? Ich weiß, dass Potsdam eine volle Stelle realisieren und gut besetzen konnte.

Axel: Man bekommt keine Handvoll zusammen. Wir brauchen in Leipzig zwei Hauptamtliche, um nur der Nachfrage gerecht zu werden und um die vorhandene Breite besser auszubilden. Wir müssen selbst mehr Qualität erzeugen, damit wir in unseren Erwachsenenteams besser werden und anfangen, von unserem tollen Standort mit einer wunderschönen und bezahlbaren Uni-Stadt zu profitieren. Wir müssen uns den gesunden Austausch – Gute gehen, Gute kommen – in unserer Jugendausbildung erarbeiten. Ansonsten werden wir weiterhin nur die Guten abgeben.

Claas: Die ostdeutschen Spieler kommen in den DHB-Kadern ja durchaus vor. Nur stehen selten die ursprünglichen Vereine hinter dem Namen auf der Kaderliste.

Axel: Die einzelnen Topleute bringen wir ja seit Jahren hoch. Es gelingt uns in den dazugehörigen Vereinsmannschaften aber nicht, die entsprechende Qualitätstiefe in die Kader zu bekommen. Immer wieder wird an einem guten Jahrgang durch einen guten Trainer punktuell gute Arbeit gemacht. Nur wenn es darum geht, nach dessen Ausscheiden die Arbeit professionell fortzusetzen, kommt meist das Loch. Wir haben einfach nicht genügend gute Trainer. Wir schieben zu wenig Qualität nach oben nach. Uns, dem ATV, geht es im Verhältnis zu anderen Clubs im Osten ja noch einigermaßen gut dabei. Andere sind über diese Schwierigkeiten ausgestorben oder bis ins Kleinste geschrumpft.

Claas: Gibt es die Konzepte, die Situation zu ändern, denn zumindest in den Schubladen der Vereine?

Axel: Es passiert ja schon etwas. Auf sportlicher Ebene haben wir zum Beispiel eine Gruppe gebildet, die sich um die Förderung der Leistungsentwicklung im ATV Leipzig kümmern soll. Es soll unter anderem die Trainerausbildung verbessert werden. Die Konzepte sind da. Genauer: Das Wissen um die Situation und der Wille, etwas zu verändern, sind im sportlichen Bereich absolut da. Dennoch ist über allem der große schwarze Schatten der Finanzierbarkeit.

Falk: Auch die infrastrukturellen Konzeptionen sind natürlich da. Doch ist der Aufprall der Vision auf den Boden der Realität meist sehr hart. Für das Projekt einer eigenen Halle, das sonst schon weit gediehen ist, fehlen uns beispielsweise ungefähr 400.000 Euro an Eigenmitteln. Und unter dem Druck, den einzigen Platz, den wir haben, bald mit einer neuen Decken beziehen zu müssen, wandert ein solches Hallenprojekt notgedrungen etwas weiter nach hinten in der Schublade.

Claas: Ich drücke euch jedenfalls die Daumen, dass die WM ein ähnlich großer Erfolg wird wie die vorangegangenen Events in Leipzig. Und nicht zuletzt wünsche ich Euch maximales Durchhaltevermögen und die notwendige Unterstützung für Euer Bemühen, Hockey in Leipzig voranzubringen. Zum Abschluss möchte ich Euch um etwas Vorstellungskraft bitten. Stellt euch vor, ich wäre eine gute Fee. Axel hätte einen Wunsch für das ostdeutsche Hockey und Falk für die WM frei. Welcher wäre das?

Axel: Ich wünsche mir, dass wir mit den ATV-Damen aufhören, nur oben dabei zu sein, und mal ein richtig geiles Ergebnis raushauen, welches auch über die regionalen Grenzen hinaus gesehen wird. Vielleicht eine Viertelfinalteilnahme in der Halle.

Falk: Ich wünsche mir noch circa 200 Anmeldungen freiwilliger Helfer für die WM, die wir noch dringend brauchen. Der Spielplan ist voll gepackt. Drei Spieltage enden durch den neuen Modus mit Vor- und Zwischenrunden erst um Mitternacht. Das heißt, wir werden im Schichtdienst arbeiten und haben dringendsten Bedarf an Helfern in den späten Abendstunden.

Claas: Könnten dies auch Auswärtige sein? Würdet Ihr die Leute unterbringen?

Falk: Ja. Wir haben bereits viele auswärtige Anmeldungen, die klassischen Volunteer-Touristen sozusagen. Aber wir brauchen noch mehr. Die Anmeldung erfolgt über unsere Internetseite hockeywm2015.de

Claas: Ich danke Euch für das Gespräch.

 

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